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„Miss Italia“ über Versace : „Willst du nicht bei meiner Schau mitmachen?“

Gestern: Alda Balestra Stauffenberg blättert in alten Modeaufnahmen. Bild: Johannes Krenzer

In Berlin wird eine Versace-Ausstellung eröffnet. Das ehemalige Model Alda Balestra Stauffenberg und „Miss Italia“ von 1970 erinnert sich an den berühmten Modemacher.

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          Dieser Mann war wie eine Brise frischer Luft. Das merkte Alda Balestra sofort, als ihr eine Freundin 1975 im Hotel Baglioni in Florenz einen gutaussehenden und gutgelaunten jungen Modedesigner vorstellte. Es war die Zeit der Pitti-Modemesse, und dieser Gianni hatte es eilig: „Willst du nicht bei meiner Schau mitmachen?“ Sie: „Gerne, wann denn?“ Er: „In zwei Stunden.“

          Alfons Kaiser
          Verantwortlicher Redakteur für das Ressort „Deutschland und die Welt“ und das Frankfurter Allgemeine Magazin.

          So trat Alda Balestra noch am gleichen Tag für die Marke Callaghan auf die Bühne, deren Kleider der forsche junge Mann namens Gianni Versace entwarf. Über Jahre sollte sie mit dem aufstrebenden Designer zusammenarbeiten. Es war eine gute Zeit für beide. Die „Miss Italia“ des Jahres 1970 wurde nun auch in der Modeszene ernst genommen und trat in der nächsten Saison in Mailand bei sage und schreibe 28 Modenschauen auf. Und Gianni Versace entwarf so erfolgreich für die Marken Genny, Complice und Callaghan, dass er schließlich 1978 seine eigene Marke herausbrachte.

          Gianni Versace – heute ist das ein Mythos. Als Sohn einer Schneiderin aus Reggio Calabria wurde er 1946 in die Mode hineingeboren. Nach dem Abitur half er ihr beim Stoffeinkauf, wurde zum Designer und schuf später eine echt italienische Mischung aus begehrlicher Mode mit sinnlicher Aussage und barockem Überschwang – bis er 1997 erschossen wurde, was dem Mythos nur half.

          Die Marke Versace, die seit 20 Jahren von seiner Schwester Donatella entworfen wird, zehrt noch immer von dieser märchenhaften Erzählung eines kalabrischen Jungen, der auszog, Madonna, Naomi, Diana und Demi in halbnackte Halbgöttinnen zu verwandeln.

          Ergründet wird der Mythos nun in der größten Ausstellung, die es je zum Werk Versaces gab. An diesem Dienstag findet in Berlin die Eröffnungsgala statt. Dabei sein wird Alexandre Stefani aus São Paulo, der Versace-Männerentwürfe gesammelt hat. Antonio Caravano aus Neapel trägt Damenmode bei. Zahlreiche weitere Sammler haben Hunderte Ausstellungsstücke zur Verfügung gestellt. Und es wird ein Video zu sehen sein von der ersten Schau des Labels vor genau 40 Jahren – die nicht in Mailand oder Florenz stattfand, sondern auf Einladung des schon damals weitsichtigen deutschen Einzelhändlers Albert Eickhoff in Lippstadt in Westfalen. Es dürfte das einzige Mal gewesen sein, dass ein Model wie Jerry Hall die größte Stadt im Kreis Soest besuchte.

          Alda Balestra Stauffenberg, wie sie seit der Hochzeit mit Franz von Stauffenberg heißt, wird heute keine lange Anfahrt haben. Denn sie wohnt seit dem Jahr 2000 in Berlin, in einer schönen Wohnung mit vielen Erinnerungsstücken in Wilmersdorf. Die Ausstellung wird sie zurückführen in eine Zeit, als sie so jung war wie ihre Kinder heute – ihre Tochter Serena ist 22, ihr Sohn Damian 20 Jahre alt.

          Und sogar noch weiter zurück. Denn als sie „Miss Triest“ wurde, war sie erst 15 Jahre alt. Sie wollte bei dem Wettbewerb gar nicht teilnehmen, denn ihre Eltern hatten ihr nicht erlaubt, am Sonntagnachmittag in einen solchen Club zu gehen. Aber sie machte mit und gewann. Auch die Ausscheidung in Friaul-Julisch Venetien bestritt sie siegreich, an ihrem 16. Geburtstag. Bei „Miss Italia“ rechnete sie sich nicht viele Chancen aus. Die meisten Mädchen sahen sinnlich aus wie Sophia Loren, sie dagegen hatte kurze blonde Haare und wirkte fast androgyn.

          Heute: Das einstige Model lebt in Wilmersdorf.
          Heute: Das einstige Model lebt in Wilmersdorf. : Bild: Johannes Krenzer

          Aber vielleicht war es gerade das. Denn draußen vor der Tür standen feministische Demonstrantinnen, die gegen die Fleischbeschau drinnen protestierten – da würde eine nicht ganz so weibliche „Miss Italia“ vielleicht gut ankommen. Und so gewann sie. Alda ging trotzdem weiter in Triest zur Schule, konnte vom Preisgeld ihre Mitschülerinnen zur Pizza einladen und nahm im Zuge der italienischen Studentenproteste dann auch an Frauenrechtsdemonstrationen teil. Die Schülerin wuchs also mit widerstrebenden Rollenvorstellungen auf, die in seltsamen Kommentaren aufschienen: „Für eine Miss Italia bist du gar nicht so doof.“

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