Ukrainische Designerin : Ein kreativer Kampf um Grund und Boden
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Victoria Yakushas neue Kollektion entstand im Frühjahr 2022. Bild: Foto FAINA Design and Piet-Albert Goethals
Designerin Victoria Yakusha musste vor dem Krieg in der Ukraine fliehen. Die russische Aggression hat sie in ihrer Arbeit stark beeinflusst, wie ihre Kollektion „Stepping on Ukrainian Soil“ zeigt.
Schon seit mehr als einem Jahr befindet sich die Ukraine im Krieg. Doch in Wahrheit jährt sich der durch nichts zu rechtfertigende Überfall auf das osteuropäische Land schon zum neunten Mal: Im März 2014 annektierte Russland völkerrechtswidrig die zur Ukraine gehörende Krim. Seither hat Wladimir Putin versucht, dem nach Russland zweitgrößten Staat Europas seine Legitimation abzusprechen. Obwohl Moskau am 2. Dezember 1991 ausdrücklich die Unabhängigkeit der Ukraine anerkannt hatte.
Für die Designerin Victoria Yakusha steht die Unabhängigkeit außer Frage. Wie so viele Kreative in dem Land wurde auch sie durch die Aggression des viel größeren Nachbarn in ihrer Arbeit stark beeinflusst. Und das nicht nur, weil sie und ihre zwölf Mitarbeiter zunächst nach Kriegsausbruch gezwungen waren, sich vor den Angreifern in Sicherheit zu bringen. An geregelte Arbeit war in Kiew nicht zu denken. Dennoch entstand nach der Invasion im Frühjahr 2022 eine Kollektion. Ihr Titel: „Stepping on Ukrainian Soil“. Damit sind nicht die russischen Soldaten gemeint, die sich vergeblich bemühten, schnell große Bodengewinne in der Ukraine zu machen.
Tiefe Verbindung zur Natur
Victoria Yakusha spielt vielmehr auf die innige Beziehung ihrer Landsleute zu dem Grund an, auf dem sie stehen, den sie bearbeiten und von dem sie leben. Mutter Erde versinnbildlicht sie in einem schwarzen kreisförmigen Teppich, der an der Wand hängt, aber Wurzeln im Boden schlägt, dargestellt durch lange Fäden. Semlia heißt der Entwurf, zu Deutsch: Erde. Sie ist oft schwarz in der Ukraine, was mit dem Wort Tschernosem umschrieben wird.
Der Teppich selbst ist in einer sehr alten karpatischen Technik geknüpft worden, die Lischnykarstwo genannt wird und kaum noch zur Anwendung kommt. Sie hat mehrere Schichten übereinander knoten lassen, so wie auch Erde übereinander aufgeschichtet ist. Damit will sie ein Stück ukrainischer Tradition retten, von der niemand so genau weiß, seit wann es sie in den Bergen im Westen des Landes überhaupt schon gibt.
Zur Kollektion gehören kleine Hocker und Bänke, die zum Teil an Lämmer oder Ponys erinnern, zum Teil aber auch geometrisch abstrakt bleiben. Victoria Yakusha nennt die tierischen Elemente Wolyky, was so viel wie Freiheit bedeutet, die eher naiven Figuren heißen Duschi, was sich mit robust oder stämmig übersetzen lässt. Für sie sind es Symbole der reinen, freien Natur. Aus ihr werden sie auch gefertigt, genauer aus einem Materialmix, der als Stista bekannt ist, was so viel wie „aus Teig gemacht“ bedeutet.
Mit der Mischung unter anderem aus Ton und Heu wurden früher Hauswände verputzt. Sie schätzt natürliche Materialien, arbeitet viel mit Holz und Wolle, Stoffen, die eine eigene Energie haben und eine eigene Geschichte erzählen können, wie sie sagt.
Victoria Yakusha, die in Dnipro geboren wurde, fühlt seit ihrer Kindheit eine tiefe Verbindung zur Natur. Die Sommer verbrachte sie bei ihren Großeltern in einem Dorf im Donbass, in der Region, die in Teilen auch schon seit 2014 von Russen besetzt ist. Für sie war das Jahr einschneidend. „Wir waren kurz davor, unsere Identität zu verlieren“, sagt Victoria Yakusha. Damals gründete sie die Marke FAINA, mit der sie die ukrainische Kultur und ihre Traditionen am Leben erhalten will.