Der Haarknoten : Eine Frisur für die Ruhe im Kopf
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Tight-Bun: Kendall Jenner bei der Met-Gala 2021 in New York Bild: Getty
Die zum Dutt gesteckten Haare sparen gleich in mehrfacher Hinsicht Energie. Und diese Frisur kann noch so viel mehr für Frauen tun. Eine Knotenkunde.
Der Sleek-Bun, also das streng zurückgekämmte und zu einem Knoten gebundene Haar, ist die ideale Frisur für Leute, die sich nicht jeden Tag die Haare waschen. Eine vernünftigere Begründung für einen Trend als diese kann es gar nicht geben. Man spart Wasser, Energie und Zeit und sieht dabei auch noch toll aus, idealerweise wie ein Model off duty. Haare können so dankbar sein!
Die Hair-Tutorials jedenfalls behaupten das, und die Lehrmeisterinnen dieser Online-Workshops müssen es wissen. Viele beschäftigen sich seit Jahren mit der Sache. Vor dem Sleek-Bun war es der Top-Knot, daneben spielen Messy-Bun, Halb-hoch-halb-runter-Varianten und seitlich angebrachte Knoten wichtige Rollen. Circa 30 verschiedene Frisuren sollen kursieren, die Zahl erscheint völlig beliebig. Gerade nimmt die Trendlautstärke etwas ab; Sorge haben, dass irgendein Haar in eine Suppe fällt, muss aber niemand.
Wenn die Haare das Kleid betonen
Wann hat es angefangen, wann genau war der Höhepunkt der Trendwelle erreicht? War es Kendall Jenners Auftritt bei der Met-Gala 2021, als sie ihr Haar betont nebensächlich behandelt hat und damit aufmerksamkeitsökonomisch alles für ihr Givenchy-Kleid tat?
Oder war es bereits früher, nämlich 2019, als die Journalistin Hannah Marriott die Top-Knots der Chanel-Show für den Winter 2018/2019 für den „Guardian“ zählte? 77 von 81 Models, die über einen blätterübersäten Runway im Pariser Grand Palais liefen, trugen die Haare im hohen Knoten. Der verantwortliche Haarstylist Sam McKnight erklärte der britischen Zeitung dazu, Inspirationsquelle sei die Geste der Models gewesen, jener schnelle Griff, mit dem sie sich nach der Show ihre Haare aus dem Gesicht schaffen. Daher Off-duty-Look.
Vielleicht ist es ja so: Models und Influencer schlagen stetig den Takt. Die Follower folgen. Doch bleiben wir einen Moment bei der Geste. Man muss kein Model sein, um sie in- und auswendig zu kennen. Es genügt schon, Haare zu haben, die etwas länger reichen als bis zum Kinn. Die Hände greifen über den Kopf zum Nacken und verknoten das, was da ist.
Haare sind Teil unserer Geschichte
Weil Haare stören, wenn sie beim Lesen oder Fensterputzen ins Gesicht fallen. Weil sie sich an manchen Tagen anfühlen können, als würden kleine Gewichte an jedem einzelnen von ihnen hängen, weshalb es sicherer ist, sie festzuhalten. Weil man das Grübeln loswerden will und die nicht unberechtigte Hoffnung hat, dass das besser funktioniert, wenn wenigstens auf dem Kopf schon mal Ruhe herrscht.
Es ist diese beiläufige, alltägliche Einstellung, die den Haarknoten unabhängig macht. Keine Fashion-Rubrik kann daran etwas ändern. Selbst wenn sie ihn ignorieren würde, er wäre die Wette immer noch wert. Haare sind Teil des Körpers und seiner individuellen Geschichte.
Warum der Chignon in der Haute Couture so präsent ist
Die Silhouette zählt, in diesem Sinne könnte es gar nicht besser laufen für den kleinen Dutt. Wer macht sich verdienter um die hohe, schlanke Linie als er? Da können noch so viele Bomberjacken und Prada-Combat-Boots kommen, der schmale Kopf hält dagegen.
Die Regel ist einfach: Je raumfüllender oder spektakulärer und raffinierter die Garderobe, desto eher nimmt sich das Haar zurück. Die Haute Couture hat entsprechend häufig Verwendung für den Chignon.
Historisch ist das Beispiel „Dovima with Elephants“, ein Foto von Richard Avedon, das 1955 in „Harper’s Bazaar“ erschien: Dovima posiert mit weit ausholender Geste zwischen Elefanten des Pariser Cirque d’Hiver. Sie trägt ein schwarzes Abendkleid mit großer weißer Schleife von Dior, entworfen vom 19 Jahre alten Yves Saint Laurent. Den Kopf und das zu einem Chignon gebundene Haar schmiegt sie an den Rüssel eines der mächtigen Tiere, das seinen rechten Fuß wie zum Tanz erhebt.
Gedanklich kann man den Knoten ja ruhig einmal lösen, spaßeshalber, um zu sehen, wie sich die Hohepriesterin der Eleganz in die ungewöhnlich gut gekleidete Anführerin einer Revolte verwandelt, in eine ekstatische Tänzerin. Das Geheimnis des Lebens selbst scheint mit dem Haar verbunden.