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Atemschutzmaske als Modetrend : That’s the look of Atemwegserkrankungen

Die Atemschutzmaske als Fashiontrend? Bild: Reuters

Das Coronavirus hat es in die Modewelt geschafft. Auf der London Fashion Week zeichnet sich zumindest ein neuer Trend ab: die aufgehübschte Atemschutzmaske. Doch hilft die überhaupt?

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          Krankheit ist weder schön noch sexy, macht aber unter Umständen arm. Daraus einen Modetrend zu machen gelingt den wenigsten – probieren kann man's trotzdem. Vermarkten lässt sich alles, und gerade die Modebranche schreckt selten davor zurück, neue Trends nicht aus ethischen Grundsätzen heraus zu verfolgen, sondern weil möglichst schnell möglichst viel verkauft werden soll. Während also in hiesigen Apotheken die ästhetisch nicht wirklich prickelnden Atemschutzmasken längst ausverkauft sind, der Großhandel sogar Lieferprobleme meldet, kristallisierte sich am Wochenende auf der London Fashion Week ein neues Trendaccessoire heraus: eben diese Masken nämlich, nur halt in hübscher, versteht sich.

          Johanna Dürrholz
          Redakteurin im Ressort „Deutschland und die Welt“.

          Zumindest sah man dort eine Fashionista mit einer modisch aufgewerteten Atemmaske, soll heißen: Sie sah damit nicht so aus, als hätte sie gleich einen wichtigen Termin am OP-Tisch oder nach einer langen Nachtschicht im Krankenhaus da was vergessen. Statt grün-weiß-sterilem Desinfizierungscharme versprüht eine schlicht-schwarze Maske vielleicht eher das Gefühl: Wir passen aufeinander auf und sehen dabei noch passabel aus. Den morbiden Beigeschmack hat Schwarz leider auch.

          Die Atemmaske ist, modisch aufgewertet, nicht nur ein guter Gag, obwohl sie das durchaus ist: Besagte Frau etwa trug auf ihrer schwarzen Maske noch eine Art aufgedrucktes Emoji, nämlich das der zusammengebissenen Zähne. „Hupsi, bin leider krank, komme aber trotzdem!“ Oder so. Jedenfalls ist die Atemmaske nicht nur lustig, sondern ein Symbol unserer Zeit, ein Accessoire, dem womöglich der massenmodische Durchbruch bevorsteht. Forscher rechnen damit, dass langfristig wieder mehr Menschen an Infektionskrankheiten sterben werden als an Krebs. Multiresistente Keime sind auf dem Vormarsch. Und mit Pandemien und Epidemien rechnen Ärzte sowieso: Auch ein Coronavirus war zu erwarten – nur vielleicht nicht ganz so schnell, wie es jetzt wirklich gekommen ist.

          Was heute auf den Modewochen läuft, kann in zwei Monaten schon bei H&M hängen – im Fall der Atemmaske ist es vielleicht schon sehr viel früher der Fall. Was unsere Gesellschaft bewegt, was unsere Politik bewegt, das spiegelt sich in der Mode wider, und umgekehrt – das war schon immer so. Im Internet kursieren schon jetzt diverse Variationen des neu entdeckten Kleidungsstücks. Auf der Seite „Face ID Masks“ etwa wird mit Masken geworben, auf die das eigene Gesicht gedruckt ist – auch, damit Smartphones mit Gesichtserkennung ihre Besitzer trotzdem identifizieren. „Resting Risk Face“ nennt sich das, in Anlehnung ans Resting Bitch Face. „Ist das ein Witz?“, fragt die Website, und weiß es selbst nicht: „Ja. Nein. Wir sind uns nicht sicher. Virus-Erkrankungen sind nicht lustig. Wasch deine Hände, wenn es geht. Und lass dich impfen, wenn es geht.“ Die Masken seien noch in Arbeit für jene, „die den Spätkapitalismus genießen“.

          Allein, die Maske bringt's nicht! Chirurgen tragen sie vor allem, damit sie selbst keine möglicherweise infektiösen Tröpfchen auf ihre Patienten oder deren Wunden absondern. Die Masken sind also nicht zum Schutz vor Ansteckung gemacht. Im auf Höflichkeit bedachten Japan tragen deswegen sehr viele Menschen Atemmasken, weil sie selbst krank sind – und andere nicht anstecken wollen. Wer sich nicht anstecken will, dem bringt eine Atemschutzmaske in etwa so viel wie ein hochgezogener Schal.

          Halbmasken mit einem Partikelschutzfilter der Stärke FFP2 und höher bieten ihren Trägern wiederum echten Schutz. Weil Pragmatismus auch in der Mode wichtiger wird, kann es durchaus sein, dass dort an Stoffen, die wirklich vor einer Ansteckung schützen, gearbeitet wird. Wer schön sein will, muss schließlich gesund sein. Und manchmal unter kaum zu ändernden Modetrends leiden.

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