Cathy Hummels vor Gericht : Der erste große Sieg der Influencer
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Cathy Hummels im Februar vor Gericht Bild: dpa
Sind Produkthinweise von Bloggern zwangsläufig Schleichwerbung? Das Landgericht München hat im Fall von Cathy Hummels für Klarheit gesorgt. Eine Entwarnung für die ganze Branche ist das Urteil aber nicht.
Zur Verkündung ihres Sieges ist Cathy Hummels nicht gekommen. Ihr Stuhl im Landgericht München I ist am Montag ebenso leer geblieben wie der Platz des Klägers, des Verbands Sozialer Wettbewerb (VSW). Die Entscheidung war beiden Parteien zuvor bereits schriftlich zugegangen. Die Vorsitzende Richterin verlas das Urteil deshalb vor einer Horde aufgeregter Journalisten, die bei jedem Klappern hofften, dass Hummels doch noch hereinspazieren würde.
Doch die Influencerin zog einen Auftritt dort vor, wo alles angefangen hatte: auf Instagram, wo ihr 485.000 Nutzer folgen. In zwei Posts dankte sie dem Gericht für seine Entscheidung, die Klage gegen sie abzuweisen.
Hummels betreibt nach Ansicht des Gerichts nicht, wie vom VSW beanstandet, Schleichwerbung, wenn sie beispielsweise einen Link auf den Hersteller eines selbstgekauften Pullovers setzt und dies nicht als „Werbung“ kennzeichnet. Auch das Foto mit dem blauen Stoffelefanten, dessen Markenlogo zwar klar zu erkennen ist, der jedoch ein Geschenk von Verwandten war, muss sie demnach nicht als Werbung ausweisen. Denn Beweise, dass sie doch von einem der Hersteller eine Gegenleistung für einen der von ihm beanstandeten Posts bekommen hatte, legte der VSW nicht vor.
Es ist der erste große Sieg auf Seite der Influencer. Denn der Streit um die Frage, was auf Instagram als Werbung zu kennzeichnen ist und was nicht, tobt bereits seit Monaten. In der Vergangenheit hatte der VSW sich bereits mehrfach vor Gericht durchsetzen können: So vertritt er die Auffassung, dass auch Verlinkungen, die nicht im Auftrag des entsprechenden Unternehmens gemacht wurden, als werblich zu kennzeichnen sind. Schließlich profitiere das verlinkte Unternehmen, und für die Influencer seien die unbezahlten Posts Teil eines Geschäftsmodells, dem Wechsel von bezahlten und unbezahlten Beiträgen, um möglichst „authentisch“ zu wirken. Zudem empfehle sich der Influencer auf diese Weise den betreffenden Unternehmen, sozusagen als kleine Kostprobe für einen möglichen Werbeauftrag in der Zukunft – deshalb seine eine Kennzeichnung nötig.
Influencer handeln nicht aus „reiner Menschenliebe“
Dieser Schlussfolgerung folgte das Landgericht München I im Fall von Cathy Hummels nicht. Zum einen, weil Hummels keine Gegenleistung für die beanstandeten Posts erhalten habe. Zum anderen ist es überzeugt, dass selbst für weniger informierte Nutzer ohnehin erkennbar sei, dass Hummels mit ihrem Instagram-Auftritt gewerblich handle: So könne es sich bei mehr als 485.000 Followern nicht um einen privaten Account für ihre Freunde handeln. Selbst jugendlichen Nutzern sei in der Regel klar, dass Influencer nicht aus „reiner Menschenliebe“ handeln. Einer zusätzliche Kennzeichnung bedürfe es deshalb nicht, zumal Hummels sich mit ihrem Account, auf dem sie sich mit Themen wie Yoga, Mode und Reisen mit Kindern beschäftigt, ohnehin an erwachsene Frauen richte.
Stattdessen unterstützte das Gericht Cathy Hummels in ihrem Vergleich mit dem Online-Auftritt einer Frauenzeitschrift: Auch diese würden nur Produktempfehlungen, für die es ein Entgelt gab, als Werbung kennzeichnen. Das müsse auch für Influencer gelten.
Rechtskräftig ist das Urteil noch nicht. Zwei Wochen bleiben den Beteiligten, um Berufung einzulegen. Hummels Anwalt Christian-Oliver Moser äußerte sich in einem Statement aber keineswegs besorgt: Die Entscheidung werde auch in einem Berufungsverfahren Bestand haben.
Anzeigenblatt statt Frauenzeitschrift?
Für die ganze Branche sei das Urteil aber keine Entwarnung, wie das Gericht betonte. Es handele sich um eine Einzelfallentscheidung, bei der unter anderem die Followerzahl und die Tatsache, dass Hummels' Account von der Plattform durch einen blauen Haken verifiziert ist, ausschlaggebend waren.
Auch Martin Gerecke, Fachanwalt für Medienrecht aus Hamburg, sieht nach dieser Entscheidung noch immer keine Rechtssicherheit für die Branche gegeben. Zwar sei das Urteil ein Erfolg für Cathy Hummels, die Begründung sieht er jedoch kritisch: „Das Gericht nimmt an, dass Influencer wie Cathy Hummels ausschließlich gewerblich und nie privat posten. Damit werden sie Accounts von Unternehmen gleichgestellt. Aber warum soll eine Cathy Hummels nicht auch unabhängige Empfehlungen aussprechen können, als Ausdruck ihrer eigenen Meinung?“ Auch der Vergleich mit den klassischen Medien sei dem Gericht nicht geglückt. „Frau Hummels hatte gehofft, durch die Entscheidung des Gerichts wie eine „Frauenzeitschrift“ behandelt zu werden. Tatsächlich stuft sie das Gericht als Werbezeitschrift oder Anzeigenblatt ein“, sagt Gerecke. Hinzu käme, dass das Landgericht Karlsruhe im Fall der Influencerin Pamela Reif ebenfalls angenommen hat, Influencer könnten nicht privat posten – dabei jedoch zum gegenteiligen Schluss kam und zu Gunsten des VSW urteilte.
Zudem hält Gerecke die Followerzahl und die Verifizierung des Accounts durch Instagram nicht als geeigneten Maßstab dafür, dass jedermann erkennen könne, der Influencer handele ausschließlich geschäftlich. Was für sogenannte Mikroinfluencer, die nur wenige Tausend Follower haben, gelte, sei unklar. Nach Ansicht von Gerecke müsse entscheidend für eine Kennzeichnung sein, ob der Influencer für den jeweiligen Post Vermögensvorteile wie ein Entgelt oder eine Eventeinladung erlangt hat oder der Beitrag in sonstiger Form werblich ist. Diesen Standpunkt vertreten auch die Landesmedienanstalten – vielleicht bekommt diese Auffassung ihre Chance in einem der zu erwartenden Berufungsverfahren.
Mehr Eindrücke und Stimmen aus München in der Instagram-Story des F.A.Z.-Magazins.