Berlin Art Week und Positions : Wo hört Mode auf, wo fängt Kunst an?
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An die Übertragung von Architektur auf Mode wagt sich auch Designerin Cläre Caspar mit ihrer Kollektion „Frappant“. Den Grundriss des gleichnamigen Gebäudes in Hamburg-Altona, ein westdeutscher Plattenbau, der bis 2003 eine Karstadt-Filiale beheimatete und 2009 abgerissen wurde, hat sie in Schnittmuster für Oberteile übertragen. Das Warenhaus zum Anziehen? Die Wahl des Gebäudes ist auch insofern spannend, als dass der Abriss von „Frappant“ den Höhepunkt des Abstiegs einer vormaligen, in den 1970ern florierenden Geschäftsstraße markierte. In den Kleidern von Caspar darf der Konsum vergangener Tage weiterleben.
Claudia Skoda, das „Knitted Genius“, die mit ihren Strick-Kreationen die Mode des vergangenen Jahrhunderts geprägt hat, war kürzlich noch mit einer großen Ausstellung im Berliner Kulturforum vertreten. Zu ihren Wegbegleitern gehörten Künstler wie Martin Kippenberger, Kraftwerk oder Jim Rakete. Während der Fashion Positions zeigte sie einige bunte Pullover, teils mit Filzelementen und japanischen Schriftzügen versehen. Ein Kunstkonzept hatte sie sich dazu nicht überlegt, erzählt aber mit verschmitztem Lächeln, dass ihre Kollektion von „Im Reich der Sinne“ inspiriert sei, einem Sadomaso-Film des japanischen Regisseurs Nagisa Ōshima, der 1976 auf der Berlinale erstmal gezeigt wurde. Damals von den Filmkritikern hochgelobt, von der Staatsanwaltschaft direkt als harte Pornografie einkassiert. Das muss man ihr lassen: Skoda, 1943 geboren, macht seit 1973 Mode, ist bis heute provokanter als viele Jungdesigner.
Die sieben Todsünden kennen
„Sündhaft“ ging es während der Art Week auch beim Berliner Modelabel Lala Berlin zu. Designerin Leyla Piedayesh lancierte nämlich eine limitierte Serie von sieben T-Shirts, welche jeweils in Zusammenarbeit mit einer Künstlerin oder einem Künstler entstanden und sich inhaltlich und visuell mit den sieben Totsünden beschäftigen. Warum? „Wenn wir alle die sieben Todsünden als solche anerkennen und heute neu achten würden, dann würden wir aufmerksamer und rücksichtsvoller leben“, so Piedayesh. Den Künstlerinnen und Künstlern ließ sie bei der Auseinandersetzung mit „ihrer“ Sünde künstlerische Freiheit.
Malerin Johanna Dumet setzte sich so mit der Völlerei auseinander und zeichnete auf die weiße Leinwand des T-Shirts geöffnete, laut Pressemitteilung „unersättliche“ Münder. Apropos Dumet: Die ist in der Kunst- genauso wie in der Modewelt gerade Liebling und überall anzutreffen: während der Art Week bei Office Impart mit der Ausstellung „Geil again“, außerdem im „Misa Artmarket“ der König Galerie und im Rahmen der Berlin Masters Foundation in den Wilhelm Hallen, Berlins neuem Hotspot für Kunst und Kultur in einer ehemaligen Eisengießerei, wo unter dem Motto „Hallen #2 - Yes to all“ diverse Galerien und Formate aktuelle Kunst ausstellen.
Mitbesitzer des Areals Wilhelm Hallen ist übrigens die kanadische Lichtkunstmarke Bocci. Deren Gründer Omer Arbel hat die Verschmelzung verschiedener künstlerischer Disziplinen längst perfektioniert. Er arbeitet als Designer und Ingenieur genauso wie als Künstler und Architekt. Kein Wunder, dass es hier zu interdisziplinären Schnittstellen kommt. Zur Fashion Week zeigte in den Wilhelm Hallen Modedesigner William Fan eine Runway Show. Der wiederum nutze, wie etwa die Luxusmarken Audemars Piguet und La Prairie, den Rahmen der Kunstwoche für Dinner Events in der Hauptstadt; die Szene dann zusammen bringen, wenn ohnehin alle beieinander sind.