100 Jahre Gucci : Wiedergeburt in Schlaghosen
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Mit Schlag: die Gucci-Kollektion für Damen Bild: Gucci
Alessandro Michele feiert den 100. Geburtstag von Gucci mit einer rätselhaft glitzernden Schau im Netz. Wie nebenbei hebt der italienische Designer das Geschäft mit „collaborations“ auf eine andere Ebene.
Es war eine anstrengende Woche für François-Henri Pinault. Sie begann wirklich nicht gut für den Chef von Kering, dem zweitgrößten Luxuskonzern der Welt. In Berlin hatte seine Marke Bottega Veneta am Freitagabend eine Modenschau veranstaltet, die ganz andere Nachrichten nach sich zog als die üblichen begeisterten Kommentare – zumal die Veranstaltung so geheim war, dass die Berichterstatter, die gleichzeitig Komparsen waren für Filmaufnahmen von der Kollektion, nicht einmal fotografieren durften.
Die Schau in der Halle am Berghain (also nicht im Berghain selbst) verlief noch coronakonform. Die Gäste waren vorher getestet worden, in dem alten Industriegebäude mit den hohen Decken verteilten sich die Aerosole gut, und allzu lang dauerte die Präsentation nicht. Aber dann zogen einige der Gäste weiter ins Soho House an der Torstraße – und feierten ausgelassen und eng und laut, während sich der große Rest von Berlin brav an die Lockdown-Auflagen in der dritten Corona-Welle hielt. Die Provokation rief einen Shitstorm hervor: Das englische Wort „tote“ für eine große Handtasche, so ätzte ein Twitter-Nutzer, habe plötzlich einen ganz anderen Beiklang.
Das war doppelt peinlich für die noble Marke aus Italien, in der eine Tasche aus geflochtenem Intrecciato-Leder durchaus Tausende Euro kosten kann. Denn erstens hatte sich Bottega Veneta vor einigen Monaten selbst von Social Media abgemeldet, um das Marketing den Fans zu überlassen. Nicht bedacht hatte man dabei offenbar, dass dann die Öffentlichkeit viel stärker das Image der eigenen Marke bestimmen kann als man selbst. Und zweitens hinterlässt der seit drei Jahren tätige Chefdesigner Daniel Lee den Eindruck, dass er die von dem Deutschen Tomas Maier einst super seriös aufgebaute Marke um jeden Preis cool machen möchte – was wiederum ziemlich uncool wirkt, erst recht in diesen Zeiten.
Etwas musste passieren – und geschah am Donnerstag
François-Henri Pinault, der am Freitagabend ohne seine Frau Salma Hayek gekommen war, verschwand schon nach der ersten von zwei Präsentationen. Wahrscheinlich hatte er in Paris genug zu tun mit dem weiter lahmenden Geschäft seiner Gruppe, zu der auch Marken wie Gucci, Balenciaga, Alexander McQueen und Brioni gehören. Wie viel Arbeit er noch vor sich hat, das wurde ihm am Dienstag bewusst, als er die Zahlen seines ärgsten Widersachers Bernard Arnault zu sehen bekam, der mit LVMH zum reichsten Franzosen geworden ist: Dessen Luxusgüterkonzern hat sich nämlich im ersten Quartal überraschend schnell von der Corona-Krise erholt. Eine starke Nachfrage nach Mode, Lederwaren, Uhren und Schmuck trieb den LVMH-Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um fast ein Drittel auf knapp 14 Milliarden Euro nach oben. Sogar im Vergleich zum ersten Quartal 2019 war das noch ein Zuwachs um acht Prozent.
Immerhin tröstete es Pinault etwas, dass im Windschatten von LVMH auch die Aktien von Kering zulegten. Und immerhin hatte er Arnault in Berlin einen kleinen Nadelstich versetzen können: Denn einer der Gäste am Berghain und im Soho House war Virgil Abloh, der als Chefdesigner der Louis-Vuitton-Herrenkollektionen eigentlich zum Arnault-Lager zählt. Aber nach dem Shitstorm war diese Nadel dann doch ziemlich stumpf.
Im Vergleich hat Kering stärker unter der Corona-Krise gelitten. Gucci, die stärkste Marke, die für etwa 60 Prozent des Umsatzes steht, fiel um etwa 20 Prozent auf einen Jahresumsatz von 7,44 Milliarden Euro zurück. Also musste etwas passieren – und es geschah am Donnerstag. Übertragen wurde es covidgerecht über soziale Medien. Gucci hat mehr als 43 Millionen Follower auf Instagram und füttert sie zum Beispiel mit witzigen Kurzvideos von Serena Williams und Miley Cyrus.