Warum uns Weihnachten im Lockdown so nahegeht
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Zum Ende eines wie verdammten Jahres auch noch Weihnachten im Lockdown? Bild: dpa
Das Weihnachtsfest ist emotional eine komplizierte Angelegenheit. Durch den Lockdown wird es noch komplizierter.
Es ist jedes Jahr faszinierend zu beobachten, wie wir Menschen der westlichen Gesellschaften uns mühen, einen Zustand von „Besinnlichkeit“ herzustellen: indem wir die übliche Geschäftigkeit unseres Alltags noch einmal steigern – in der Hoffnung, sie uns dann für wenige kostbare Festtage ersparen zu können. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Kulturtechnik. Zu Beginn von Schulferien gibt es das ähnlich, aber doch nie so massiv wie zu Weihnachten, wo möglichst viele Seelen in der Spanne nur weniger Tage synchronisiert sein wollen. Die Bremsspuren dieser abrupten Verlangsamung zeigen sich dann bis in die Stunden der erwünschten Geborgenheit selbst hinein, wo das Gleichgewicht oft fragil ist und der Streit nie allzu fern. „Harmonie!“, pflegte eine Ex-Freundin in solchen Momenten halbironisch im Befehlston zu raunzen. Es ist ein praktisch unerreichbarer Ort: wie die Landestelle von Apollo 11 auf dem Mond, eine der dunkleren Tiefebenen, welche die Amerikaner „Meer der Ruhe“ nannten.

Verantwortlich für das Ressort „Leben“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
Welche Regeln an den Festtagen gelten, die uns nur halb bewusst, die aber umso wirksamer sind, hat der Soziologe Karl Otto Hondrich 2004 in einem brillanten Essay in der F.A.Z. beschrieben. Was die Präsente betrifft zum Beispiel, so gilt: „Eltern schenken ihren Kindern wesentlich mehr als umgekehrt, und das bleibt zeitlebens so.“ Ein ursprünglich religiöses Fest wird so (idealerweise) zu einem familiären umgedeutet; so werden in einer komplizierten Gefühlsökonomie familiäre Bindungen „von Zeit zu Zeit erinnert, aufgefrischt, kultiviert“.
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