Sauna in Finnland : Purgatorium mit Aufguss
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Sauna hat in Finnland wenig mit Wellness zu tun, eher mit Gemeinschaft und Leid und Platz für mehr Bier. Bild: AFP
Kein Saunameister, keine Sauna-Spießer und um Himmels willen bloß keine Orangenscheiben: In den öffentlichen Badehäusern Finnlands lernt man, wie man richtig schwitzt.
Das mit der Sauna haben sie im Süden nicht richtig verstanden.“ So ein Satz ist natürlich gewagt und vielleicht auch falsch, aber auch irgendwie richtig. Es gibt viele Saunas in Deutschland, Österreich und der Schweiz und überhaupt in den meisten Gegenden südlich von Dänemark, auf die dieser Satz zutrifft. Und wenn man so etwas sagt, wenn auch leise ausgesprochen und beiläufig aus dem Gespräch heraus, kann es sein, dass da plötzlich eine Reihe von nackten Männern anfängt zu lachen. Ganz nackt sind sie nicht, sie haben ein Handtuch um die Hüften geschwungen. Wir sitzen auf der Veranda der Suomen Saunaseura, der Finnischen Sauna-Gesellschaft in Lauttasaari. Der Blick geht über die graue Ostsee, und vormals stumme Männer lachen.
Die Landschaft ist von einer eisigen Schicht bedeckt. Kalter Wind bläst übers Meer. Lauttasaari ist eine große Insel westlich von Helsinki. Stadt und Land zerfasern hier, bis sie sich in Espoo wieder zu einem großen Gewerbegebiet und der zweitgrößten Stadt des Landes verdichten. Die Sauna-Gesellschaft ist, wenn man so will, der Gral der Sauna-Welt, und dieser Gral ist recht nüchtern: ein eher beige als weiß gemauertes Haus, Vaskiniemen-Straße 10, ein rotes Dach, die unteren Fenster mit Lamellen verschlossen. Ein schlichtes Schild blickt auf den Parkplatz. Frauen und Männer kommen an unterschiedlichen Tagen. Immer wieder, sagen die Männer auf der Veranda, sei diskutiert worden, ob man in der Gesellschaft Bier ausschenken solle. Man soll nicht, haben sie entschieden, aber die Männer blicken drein, als sei da das letzte Wort noch nicht gesprochen.
Wenn Männer mit Handtüchern wedeln
Die Sauna-Gesellschaft ist ein guter Ort, um sich über die öffentlichen Saunas in Finnland zu unterhalten, und Risto Elomaa ist ein wunderbarer Gesprächspartner. Elomaa, Präsident der Internationalen Sauna-Gesellschaft, weiße Haare, Rentner mit einem feinen Lächeln, weiß fast alles über Saunas. Er kann erklären, wie sich die drei Rauchsaunas an der Längsseite des Gebäudes architektonisch unterscheiden, er kann wissenschaftliche Untersuchungen zu Gesundheit und Wohlbefinden zitieren, und ein bisschen glaubt er auch, dass man Krisen wie die gegenwärtige zwischen Russland und der Ukraine mit Diplomatie in der Sauna lösen könne – ungefähr so wie Finnlands langjähriger Präsident Urho Kekkonen: Er öffnete nach langen Verhandlungen mit der Sowjetunion die Saunatür erst, nachdem sich Nikita Chruschtschow bereit erklärt hatte, die im Sinne Finnlands formulierten Verträge zu unterzeichnen.
Elomaa lacht, wenn man ihm den Satz vom verschobenen Verständnis der Saunakultur im Süden vorträgt. Vielleicht amüsiert er sich im Geist über die seltsamen „Kein Schweiß auf Holz“-Schilder oder aber über die peinlichen Aufgussrituale, bei denen Männer mit Handtüchern wedeln oder gegen Klangschalen klopfen. Das fleischgewordene Missverständnis des Südens ist der Saunameister, der zur vollen Stunde den Heizraum betritt. „Kann man alles machen“, sagt Elomaa. Er ist nett genug, nicht zu sagen, dass das alles eher Hampelei als ein richtiger Aufguss ist. Den sollen wir gleich erleben.