Woher kommt Solidarität?
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Nur gemeinsam stark: Bergsteiger Bild: Thomas Fuchs
Menschen lieben Freiheit. Wie können soziale Bindemittel trotzdem halten in fragmentierten Zeiten? Ein Blick auf die große Geschichte menschlicher Solidaritätsentwürfe.
Nehmen wir einen Moment lang an, wir seien Arbeiter einer Ameisenkolonie. Dann verliefe unser Leben in wohlgeordneten Bahnen einer großen Gemeinschaft. Jeder kommt seiner vorbestimmten Aufgabe im Interesse des großen Ganzen nach. Das Erfolgsgeheimnis der Ameisen, folgt man dem Soziobiologen E. O. Wilson, besteht darin, dass sie ihr Leben arbeitsteilig organisieren und ein selbstverständlicher Altruismus den biologischen und sozialen Zusammenhalt herstellt. Während die Kolonie viele Futtersucher aussendet und gleichzeitig zu Hause Wächter aufstellen kann, muss sich ein solitärer Konkurrent unserer cleveren Insekten für eine von beiden Tätigkeiten entscheiden. Das bringt ihn ins Hintertreffen gegenüber der arbeitsteiligen Kolonie, in der jedes Wesen seinen Vorteil zum Nutzen aller einsetzt. Solidarität zahlt sich aus.
Der Altruismus, den die Arbeitsteilung begünstigt, geht freilich noch weiter. Ein Männchen hat den Sinn seines Lebens erfüllt, wenn es die Königin begattet. Diese wird daraufhin eine neue Kolonie gründen. Die Spermien bewahrt sie in einer kleinen Spermatasche (Spermathek) in ihrem Hinterleib auf und bringt daraus über Jahre Tausende von Arbeiterinnen hervor. Sie alle verbindet das altruistische Band. Einige übernehmen Aufgaben, die ihr Leben verkürzen oder die Zahl ihrer persönlichen Nachkommen reduzieren oder beides: Ihr Opfer für das Gemeinwohl ermöglicht es jenen Artgenossen, die für die Reproduktion zuständig sind, länger zu leben und mehr Nachkommen zu produzieren.
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