
Die Umsteiger
Die Karriere läuft bestens, das Geld stimmt, aber irgendetwas fehlt. Wer wagt den Sprung ins Ungewisse? Fünf Umsteiger berichten.
15.08.2019
Text und Protokolle: RAINER SCHMIDT
Fotos: DANIEL HOFER
Was bringt meine Arbeit eigentlich wirklich? Für mich, für die Gesellschaft, für den Planeten? Es mag von außen fast wie ein Luxusproblem wirken, aber was macht man, wenn man mit besten Qualifikationen sehr erfolgreich in seinem Beruf ist, schnell aufsteigt, große Verantwortung übernimmt, dazu viel Geld verdient und es immer so weitergehen könnte, aber irgendwann Zweifel auftauchen und die Frage: Kann ich mein Leben jetzt noch ändern? Oder wenn man einfach nur Lust hat, aus privaten Gründen oder aus einer Laune heraus, mal etwas ganz anderes an einem anderen Ort zu machen? Wer würde dann wirklich all die Sicherheiten hinter sich lassen, möglicherweise auf viel Geld verzichten und die Gewissheit einer normalen Karriere, um den Absprung zu wagen? Ohne Erfolgsgarantie und Absicherung? Zumal in einem Land wie Deutschland, in dem Brüche in der Biographie zumindest lange eher als Makel denn als Vorteil galten? Aber die Zeiten ändern sich.
Eine Geschichte aus der aktuellen Ausgabe des Magazins der F.A.Z. „Frankfurter Allgemeine Quarterly“
Jetzt abonnieren„Die Suche nach Sinn bei der Arbeit gerade auch bei hochqualifizierten Leistungsträgern hat massiv zugenommen“, sagt Caspar von Blomberg von der Personalberatungsfirma Egon Zehnder, die sich vor allem um Führungskräfte kümmert. Er muss es wissen, denn er sucht immer wieder Experten aus der Privatwirtschaft für Kunden wie Umwelt- oder Hilfsorganisationen, Bundes- oder Landesregierungen, Universitäten und Stiftungen. Potentielle Arbeitgeber also, die im Vergleich zur Privatwirtschaft meist deutlich weniger zahlen. Aber an Kandidaten gibt es keinen Mangel, das geringere Einkommen wird durch höhere Ziele kompensiert. Die verstärkte Sinnsuche sieht Blomberg – neben individuellen Veranlagungen – auch als direkte Folge der Globalisierung. Soll heißen: Das Bewusstsein für Klimawandel, Umweltverschmutzung, Ungleichheit und die Krise der Demokratie ist durch die Allgegenwart der Informationen über diese Phänomene bei vielen erfolgreichen Menschen so gewachsen, dass sie einen persönlichen Beitrag zur Problemlösung auch in ihrem Job leisten möchten.
Wir stellen fünf Menschen vor, die in ihren Berufen glänzende Perspektiven hatten, die sich aber an einem Punkt ihrer Karriere, aus ganz unterschiedlichen Gründen und zum Teil erst nach vielen Berufsjahren, für einen klaren und radikalen Schnitt entschieden haben. Einen Schnitt, der praktisch in allen Fällen zu größeren Herausforderungen, mehr Arbeit und weniger Einkommen geführt hat, aber, so berichten alle sehr überzeugend, zu mehr Glück, Befriedigung und Sinn. Diese Protokolle sind ein Plädoyer für den Mut zur gebrochenen Biographie. Und sie zeigen: Ja, du kannst dein Leben ändern.
SASKIA BRUYSTEN
Ich war bis Mitte zwanzig eher stromlinienförmig unterwegs, wobei ich ziemlich ehrgeizig war und mich mit den Besten messen wollte. An meiner Mädchenschule habe ich eines der besten Abiture gemacht, an der European Business School im Rheingau wollte ich es den Jungen zeigen, die nur das kleine Blondchen gesehen haben: Als Einzige meines Jahrgangs bekam ich ein Angebot einer großen Beratungsfirma, Da blieb ich fünf Jahre. Ich bin viel gereist und habe in Argentinien 2001 die Währungskrise erlebt, als sich vor den Bankautomaten lange, verzweifelte Schlangen bildeten, das war eine erste Zäsur für mich. Bei Reisen nach Indien, in den Nahen Osten und Afrika habe ich dann Armut gesehen, die ich so nicht kannte.
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