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Suggestive Werbung : Sei immer schön und heiter

  • -Aktualisiert am

Die schönste aller Göttinnen: Aphrodite in der Skulpturensammlung des Frankfurter Liebieghauses Bild: Wolfgang Eilmes

Dass schöne Frauen im Leben weiter kommen, propagiert die Werbung schon lange. Doch die aktuelle Dove-Kampagne geht einen perfiden Schritt weiter: Wer sich nicht selbst schön fühlt, impliziert sie, mit dem stimmt etwas nicht.

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          Werbung verfolgt einen großen Zweck: Wir sollen glauben, dass wir etwas brauchen. Das kann wie eine Erinnerung wirken („Ach ja, diese Mandelschokolade ist echt ganz lecker“), wie eine Einladung („Aha, es gibt das Putzmittel jetzt auch mit Grapefruit-Duft“) oder wie eine Erweckung („Wie konnte ich bisher ohne Mikrowellen-Döner leben?“). Die meisten Firmen konzentrieren sich darauf, ihre Produkte als notwendig zu präsentieren. Anders Dove: Dort wird den Menschen kein Duschgel angedreht, sondern ein Gefühl. Das Gefühl, schön zu sein.

          Die Dove-Kampagne, die Models mit allen denkbaren Figuren und Hautfarben in Unterwäsche zeigte, ist legendär. Keine von ihnen sah aus wie ein Dessous-Model. Wir finden alle Frauen schön, wollte Dove damit sagen, und die Botschaft kam an: Frauen kauften lieber Dove als andere Marken, die mit makellosen Siebzehnjährigen warben. Nicht alle fühlten sich dadurch gleich schöner, aber sie fühlten sich akzeptiert – was ohnehin wichtiger ist.

          Motiv aus der Dove-Kampagne „Schönheit kennt kein Alter“
          Motiv aus der Dove-Kampagne „Schönheit kennt kein Alter“ : Bild: ddp

          Herrje, die Armen

          Doch jetzt gibt es eine neue Kampagne. Dove ließ bei mehreren Geschäftsgebäuden in unterschiedlichen Ländern Schilder über nebeneinanderliegenden Türen anbringen. „Beautiful“ stand auf dem einen, „Average“ auf dem anderen. In den ersten Minuten zeigt das Video nur Frauen, die durch die zweite Tür gehen. Dazu plätschert gefühlige Musik. Die Armen, soll der Zuschauer denken, fühlen sich hässlich. Herrje. Dabei sind sie doch ganz hübsch.

          Wie perfide! Zum einen, weil „schön“ und „Durchschnitt“ nur künstliche Gegensätze sind. Jeder hat etwas Schönes an sich, und jeder ist in irgendetwas durchschnittlich, selbst wenn es nur seine Fähigkeiten an der Tischtennisplatte sind. Zugleich sind weniger attraktive Frauen durchaus nicht zwangsläufig durchschnittlich. Wieso auch? Es gibt mehr Faktoren an einer Frau als ihre Attraktivität. Gerade Dove gab doch stets vor, das zu wissen.

          Zwang zur Schönheit

          Wenn ihr euch selbst nicht schön findet, so behauptet die Werbung also, stimmt etwas nicht mit euch. Dabei mag es Frauen geben, die sich für ihr Aussehen einfach nicht interessieren. Frauen, die nicht auffallen wollen und sich deshalb in weiten T-Shirts verstecken. Frauen, die ihre großen Nasen und ihre schlechte Haut hassen, aber stolz auf ihren Witz und Charme sind. Von der klassischen Werbung wird ihnen suggeriert, als Frau müsse man schön sein. Es ist schwer genug, sich davon frei zu machen. Und nun proklamiert Dove auch noch den Zwang, sich selbst schön zu finden, auch morgens, verschlafen, auf dem Weg zur Arbeit. Ist es denn nie genug?

          Hoffentlich werden auch Duschgels eines Tages beworben wie manche Putzmittel, als singende Plastikflaschen, die blöken: „Kauf mich, ich reinige prima und dufte gut.“ Das wäre platt, ja. Aber nicht so schrecklich suggestiv.

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