BarCamps : Lernen, plaudern, gutes Chili essen
- -Aktualisiert am
Wer sein Bier per Twitter bestellt ... Bild: Stefan Finger
Zu „BarCamps“ gehen mittlerweile längst nicht mehr nur Nerds, sondern zum Beispiel auch Mitarbeiter der Bahn. Warum sind diese sogenannten Unkonferenzen so erfolgreich? Ein Besuch.
Das Plenum grölt. Vor den Rängen im Audimax steht ein Pärchen, schon länger aus dem Hörsaal-Alter raus, und freut sich, dass sich alles so freut. „Hallo! Ich bin Frank, das ist Manuela, wir sind Hawaii-Fans.“ Der letzte Satz war überflüssig. Franks gemustertes Hemd verrät seine Passion auch der letzten Reihe. Frank und Manuela wollen von Hawaii erzählen, von Hula-Tanz. Hier. Auf einem BarCamp. Sonst diskutieren sie gern mal über neue Varianten von Programmiersprachen, nun soll sich das Publikum „Storytelling mit Hula“ anhören. Das Paar fügt noch an, dass Manuela auch vortanzen würde. „Interesse?“
Die BarCamp-Szene wächst. 2005 gab es das erste BarCamp in Amerika, ein Jahr später das erste in Deutschland. Natürlich in Berlin, dort, wo angeblich alle hippen Dinge starten. BarCamps sind Konferenzen – und sie sind keine Konferenzen. Zwei Dinge unterscheiden sie von der althergebrachten Tagung: Der Chef hat nicht automatisch einen Platz als Redner, und es gibt keine gelangweilten Zuhörer.
Das Konzept ist erfolgreich. Auf dem „YarnCamp“ diskutieren die Teilnehmer über Strickmuster, auf dem „WineCamp“ über die Lage von Rebenreihen, und auf dem „BleibGesundCamp“ haben sie wenigstens mal einen selbsterklärenden Namen gewählt. 70 BarCamps gab es im vergangenen Jahr in Deutschland. Auch in Kolumbien fand schon eines statt, in Kamerun, Kasachstan, Caracas. Dieser Erfolg wirft Fragen auf. Erstens: Warum? Zweitens: Wer geht dahin? Es können längst nicht mehr nur Nerds sein. Drittens: Warum?
Zumindest der Katalog an BarCamp-Regeln klingt noch immer nerdig. Irgendwer hat sie sich irgendwann überlegt, wer genau, ist in der Szene von offenen Quellen und gemeinsamen Nutzungsrechten schwer nachzuvollziehen. Acht Stück sind es auf jeden Fall, eine Parodie auf die acht Regeln im Film „Fight Club“. An ihnen zeigt sich, was die Szene ausmacht. Und sie erklären, was Ur-BarCamper Franz Patzig, der schon auf den ersten in Deutschland war, meint, wenn er sagt: „BarCamps haben diesen Spirit. Den musst du verstehen.“
Regel 1:
Du redest über BarCamps.
Frank und Manuela, die Hawaii-Fans, lächeln im Hörsaal des Mediencampus Dieburg gerade 280 Menschen entgegen. Die haben es von Freunden erfahren, aus dem Internet, vor allem über Twitter und Blogs. Innerhalb von Stunden war das „BarCamp RheinMain“ ausverkauft, so ist es bei den meisten. Das Wochenende zuvor trafen sich 500 BarCamper bei der derzeit größten Unkonferenz in Hamburg, eine weitere Woche vorher waren es 300 in Nürnberg. Sie alle wollen lernen. Oder miteinander plaudern. Vielleicht auch einfach mittags Chili con Carne essen und den Tag über kostenlosen Kaffee zapfen. So genau weiß man das nicht.
Zunächst mal braucht es aber ein Programm. Das ist das Ungewöhnlichste an BarCamps und ihr Witz. Bei normalen Konferenzen telefoniert ein Gremium Wochen zuvor die schlausten Köpfe ab und lädt die mit den ausgefeiltesten Präsentationen ein. Bei Unkonferenzen machen die Teilnehmer ihr Programm selbst.
Dabei hilft ihnen zum Beispiel Tom. Er ist erst 40, hat aber schon graue Haare; um den Hals einen stylishen Schal gewickelt, der Inbegriff eines Werbers. Tom – bei BarCamps gibt es nur Vornamen – moderiert die „Opening Session“ und erzählt nun etwas von „fettem W-Lan“, und „das Essen kriegen wir zum Mittag besser hin als das Frühstück“. Dann geht es los. Tom gibt sein Mikro frei, und ein Drittel der Menschen im Saal springt auf und rennt nach vorn. Geschubse, Gekabbele, die meisten sehen es irgendwann doch ein und ordnen sich brav in eine Schlange. Sie reicht bis zur Hörsaaltür.
Regel 2:
Du bloggst über BarCamps.
Wer in dieser Schlange steht, erzählt viel darüber, wie BarCamps so sind. Neben Frank im Hawaiihemd hat sich ein Typ im Anzug eingereiht, die meisten sind zwischen dreißig und vierzig, mehr Männer als Frauen, aber mehr Frauen als erwartet. Ein paar Karohemden, mehrere Vollbärte, vor allem Turnschuhe. Ganz vorn in der Reihe wippt einer auf Zehenspitzen und schaut nervös, ob ihm auch ja keiner den Platz streitig macht. Auf dem T-Shirt steht @tmmd, sein Twittername. Kluges Selbstmarketing.