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Gemeinsam Wohnen : Halten wir es miteinander aus?

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Allem Anfang wohnt ein Zauber inne: Das gilt auch für die erste gemeinsame Wohnung Bild: Westend61 / Florian Kuettler

Wer mit dem Partner zusammenzieht, lernt ihn meist noch mal von einer anderen Seite kennen. Das kann ganz schön anstrengend sein.

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          Irgendwann hatte sie keine Lust mehr, jeden Morgen zu überlegen, in welcher Wohnung sie am nächsten Tag aufwachen würde und ob sie ein Outfit zum Wechseln einpacken müsste. Als ihr Freund ihr von Bekannten erzählte, die bald umzögen, fragte sie ihn einfach: Ob er sich vorstellen könne, mit ihr zusammenzuziehen? Ein bisschen mulmig war ihr schon. Sie waren seit einem Jahr zusammen, es lief alles bestens. Aber was würde er zu der Idee sagen? Auf welchen Stadtteil könnten sie sich überhaupt einigen, und in welcher Wohnung würden sie, die Altbauliebhaberin und der überzeugte Dachgeschossbewohner, sich beide wohl fühlen? Vielleicht aber würde sie dann Seiten an ihm entdecken, die sie lieber nicht gekannt hätte. Tatsächlich ist die erste gemeinsame Wohnung eines der größten Abenteuer, das ein Paar heutzutage eingehen kann.

          Statistisch gesehen, zieht jeder Bundesbürger im Laufe seines Lebens sechs- bis siebenmal um. Viele wechseln gelegentlich nicht nur die Wohnung, sondern auch den Lebenspartner. So passiert es mindestens einmal, wenn nicht sogar öfter, dass wir vor der Frage stehen: Sollen wir zusammenziehen? Und wenn ja: Geht das gut? Oft ist die Antwort schnell gefasst, aber nicht immer haben sich beide Partner vorher wirklich überlegt, wie das Zusammenleben aussehen soll, warnen Psychologen.

          So fängt für viele Paare mit den gemeinsamen vier Wänden vor allem eines an: der große Streit. Das Zusammenziehen „ist eine typische Umbruchsituation in einer Partnerschaft, die zu großen Krisen führen kann“, warnt Paartherapeut Ferdinand Krieg aus Berlin, „wer zusammenzieht, wird den Partner noch einmal deutlich anders kennenlernen“. Denn: Die Dinge auszublenden, die Verliebte zuvor nicht sehen wollen, das funktioniert mit gemeinsamem Bett, Bad und Kühlschrank nicht mehr.

          Manche Konflikte entladen sich sofort: Wer kauft ein, wer putzt das Bad? Andere stauen sich auf: Wieso lässt er ständig alles herumliegen? Und warum dauern selbst kleinste Reparaturen immer so lange? Oder es folgt die große Beziehungsflaute. „In jedem vierten Krisengespräch spielt das Zusammenwohnen eine Rolle“, sagt Paartherapeut Krieg. Selten holen sich diejenigen bei ihm Rat, die noch mit der Entscheidung ringen. Meist kommen Paare, die sich nach einer Weile in vier Wänden fragen: Halten wir es miteinander aus?

          Die gute Nachricht an dieser Stelle vorab: Vielen Paaren, die ständig streiten, kann geholfen werden. Und selbst, wenn ein Paar sich räumlich wieder separiert, bedeutet das noch lange nicht das Ende. Manchmal werden zwei Menschen eben nur in zwei Wohnungen glücklich - aber trotzdem miteinander. Einen Versuch ist es also durchaus wert.

          Wann ist der richtige Zeitpunkt?

          Die ultimative Antwort auf diese Frage gibt es leider nicht. Bei manchen Paaren keimt schon nach ein paar Monaten der Gedanke, Zusammenwohnen wäre schöner, als ständig zu fragen: Treffen wir uns bei mir oder bei dir? Gegen das lange Kennenlernen spricht aber nichts, finden Paartherapeuten: „Ich höre selten: wir haben zu lange gezögert“, sagt Krieg, „wir sind zu schnell zusammengezogen, höre ich dagegen oft.“ Die Statistik formuliert „Normalität“ so: In jeder zweiten Partnerschaft steht nach einem Jahr die Frage im Raum. Bei Männern interessanterweise schon viel früher: Jeder Zweite sagt in Umfragen, er könnte sich das Zusammenziehen schon nach einigen Monaten vorstellen. Frauen warten lieber etwas länger ab.

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