Weißweine : Ja, es ist Saar!
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Zartherbe Frucht und vibrierende Säure
Gut, am Scharzberg gab es auch noch die Familie Koch, deren Weine im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts durchweg teurer waren als die der Familie Müller. Aber Apollinar Joseph Koch überlebte das „Dritte Reich“ nicht. Die Nazis, die in Wiltingen den Ton angaben, sollen den vormaligen Zentrums-Mann und Vorsitzenden des Weinbauverbands Mosel-Saar-Ruwer in den Tod getrieben haben. Das wusste jedenfalls Otto Loeb, ein Trierer Weinhändler, der durch die Emigration nach London dem Judenmord entkam. Nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte Loeb zu den wenigen Juden, die ihren Fuß wieder auf deutschen Boden setzten. Bis heute trägt eine der besten Londoner Weinhandlungen seinen Namen: O. W. Loeb. Und bis heute ist sie ein Zentrum des deutschen Rieslings im Allgemeinen und des Saar-Rieslings im Besonderen.
Egon Müller IV war dabei, als man Otto Loeb 1974 auf dem Trierer Stadtfriedhof zu Grabe trug. Sein Vater Egon Müller III hatte den Gymnasiasten damals aus der Schule geholt. Die Weine des Vaters wie des Sohnes sind für die Liebhaber des Saar-Rieslings, der zwischen schiefriger Mineralität, zartherber Frucht und vibrierender Säure changiert, das, was für die Anbeter der Rotweine aus dem Bordelais ein Chateau Pétrus oder der Weine aus der Neuen Welt ein Opus One ist - ein Muss.
Gut nur für weniger betuchte Zeitgenossen, dass auf der jüngsten Versteigerung des „Großen Rings“, dem genau 113 Jahre alten Zusammenschluss der damals besten „Naturweinversteigerer“ an Mosel, Saar und Ruwer, für eine Flasche „Scharzhofberger Kabinett Alte Reben“ des Jahrgangs 2012 „nur“ 85 Euro angelegt werden mussten - und für eine „Auslese Goldkapsel“ bescheidene 607 Euro. Wenn eine dieser Flaschen Wein in einigen Jahrzehnten geöffnet werden sollte und der Duft bernsteinfarbenen Elixiers sich raumfüllend wie ein zartes Parfüm verbreitet hat, wird man sagen, dieser Wein sei seinen Preis wert gewesen.
Adelige investierten in die besten Weißweine der Welt
Christian Eberts Familie ist nicht einmal halb so lange an der Saar ansässig wie die Müllers und Kochs. Dafür ist der Ausblick aus dem Wintergarten seines Schlosses Saarstein über Berg und Tal nachgerade spektakulär: Zwischen dem bruchsteinernen Ensemble auf einem Grat hoch über der Saar und den Häusern im Tal ein Rebenmeer.
Geschaffen wurde dieses Gesamtkunstwerk um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, und das von Menschen eines Schlages, wie es heute die Jauchs und die Niewos sind. Sie waren vermögende Großbürger, Industrielle oder auch Adelige, und sie waren hoffnungslos vernarrt in die besten Weißweine der Welt. Also investierten sie in Weinberge, Schlösser oder Gutshäuser in Orten wie Ockfen, Wawern oder Kanzem - oder in Serrig, wie die Trierer Transportunternehmerfamilie Hansen und der Reichsfreiherr von Schorlemer-Lieser. Der preußische Staat tat es ihnen übrigens gleich. Die Domäne Serrig war vor dem Ersten Weltkrieg mit gut 20 Hektar Rebfläche das größte Weingut Deutschlands. Das Glück war nicht allen hold.