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Alternative zur Schokolade : Null Kakao, voller Geschmack?

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Ganz ohne Kakao: die Schokoladen-Alternative von WNWN Food Labs Bild: PR/WNWN Food Labs

Was haben Kartoffeln mit Schokolade zu tun? Bei Johnny Drain so einiges: Der britische Wissenschaftler hat eine Schokolade entwickelt, die ohne Kakao auskommt und zugleich die Umwelt schonen soll.

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          Am Anfang war der Kartoffeldampf. Ein Topf mit Kartoffeln auf dem Herd, über den sich Johnny Drain beugte – „warum auch immer, aber ich bin froh, dass ich es in dem Moment tat“ – und dessen Duft das Hirn des Wissenschaftlers in Gang setzte. „Der Geruch der kochenden Kartoffeln erinnerte mich an Schokolade“, so erzählt es Drain, der einen Doktortitel in Materialwissenschaft trägt, einem interdisziplinären Studiengang an der Universität Oxford. Er sei sofort darauf gekommen, dass Kartoffelschalen eine chemische Verbindung enthalten müssen, die auch in Schokolade steckt. „Ich überlegte also nach diesem Erlebnis, warum Schokolade nach Schokolade schmeckt und ob man diese nicht aus etwas anderem als Kakao machen kann, diesem in vielen Aspekten problematischen Rohstoff.“

          Man kann, wie die Schokolade der von Drain gegründeten Firma WNWN Food Labs zeigt: Sie basiert auf Gerste und Carob (den gemahlenen Früchten des Johannisbrotbaums), enthält kein Gramm Kakao, und dennoch schmeckt sie wie Schokolade, schmilzt im Mund wie Schokolade. Der Brite konzentriert sich gerade darauf, seine kakaofreie Schokolade weiterzuentwickeln und zu vermarkten. Drain ist aber auch weiterhin ein weltweit gefragter Berater für Gastronomen, Köchinnen, Barkeeper. Er arbeitet dabei vor allem mit Techniken der Fermentation.

          Schon während seines Gastspiels im „Nordic Food Lab“ in Kopenhagen machte sich Drain Mikroorganismen zunutze. Dem Küchenteam des Dreisternerestaurants „Mirazur“ an der französischen Riviera brachte er die Herstellung von Ziegenbutter näher. Für ein Restaurant in Paraguays Hauptstadt Asunción entwickelte er Rezepte mit vergessenen lokalen Zutaten, etwa ein Kokablatt-Kombucha (woraufhin er bei der Heimkehr prompt am Londoner Flughafen Heathrow in Gewahrsam genommen wurde – Drogenfahnder hatten geglaubt, Kokainspuren an seinem Gepäck gefunden zu haben). Im Londoner Zero-Waste-Lokal „Silo“, das in der Vermeidung von Lebensmittelabfällen international Maßstäbe setzt, tüftelte der Materialwissenschaftler an Ideen wie einer tiefschwarzen Würzsoße aus fermentierten Tintenfischabschnitten.

          Kakao wird unter ausbeuterischen Bedingungen angebaut

          Auf das Erweckungserlebnis mit dem Dampf kochender Kartoffeln und die ersten Versuche samt der Gewissheit, dass eine kakaofreie Schokolade möglich ist, folgte im Jahr 2020 die Gründung von WNWN (gesprochen win-win). Drain tat sich dafür mit der US-Amerikanerin Ahrum Pak zusammen, die als ehemalige Bankerin das finanzielle Know-how mitbringt. WNWN Food Labs möchte nach der „Alt Choc“, wie die alternative Schokolade auf Englisch heißt, auch Mimikry-Versionen von weiteren problematischen Lebensmitteln wie Kaffee und Vanille lancieren. „Jeder liebt Kakao, Kaffee, Vanille“, meint Drain. „Viele sind süchtig danach. Aber nur wenigen ist bewusst, wie schlecht deren Rahmenbedingungen im Anbau und in der Herstellung sind, während jeder weiß, wie bedenklich etwa Thunfisch oder Palmöl sind.“

          Geschäftspartner: Johnny Drain und Ahrum Pak
          Geschäftspartner: Johnny Drain und Ahrum Pak : Bild: PR/WNWN Food Labs

          Über 70 Prozent der weltweit konsumierten Schokolade habe ihren Ursprung in den westafrikanischen Ländern Ghana und Elfenbeinküste, wo im Kakaoanbau auch rund eineinhalb Millionen Kinder arbeiten. „Und wir reden hier von körperlicher Schwerstarbeit, die die Kinder vom Schulbesuch abhält, nicht vom Aushelfen im elterlichen Restaurant an einem Feriensonntag.“ Die für den Anbau der Kakaobäume notwendigen Waldrodungen und Zwangsabsiedlungen seien ein weiterer problematischer Faktor, sagt Drain.

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