Knochenbrühe als Foodtrend : Gehaltvoll, aber nicht schwer
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Lecker, aber mehr nicht: Beweise dafür, dass die Brühe wirklich so gesund ist, wie alle glauben, gibt es nicht. Bild: mauritius images
Unsere Großmütter machten es notgedrungen, dann tat es lange niemand mehr. Jetzt ist es auf einmal total hip: Knochen auskochen. Was ist dran an dem Trend, und welches Rezept ist das beste?
Es duftet sonst besser in meiner Küche. Ich habe gerade etwa vier Kilo Knochenstücke mit Knorpeln, Sehnen und Fett abgespült. Jetzt riecht es nach Blut, nach Tier. Beim Kochen setzt sich an der Oberfläche der Brühe auch noch ein graubrauner Schaum ab. Die Flüssigkeit im Topf ist trüb, ein großes Fettauge schwimmt oben.
Man kocht wieder Knochen aus. Die Schauspielerin Salma Hayek sagt, dass sie deshalb so jung aussieht, weil sie jeden Tag einen Becher Knochenbrühe trinkt. Ihre Kollegin Gwyneth Paltrow postet Brühe-Rezepte auf ihrem Blog. Matthew McConaughey und Jessica Biel sollen ebenfalls Brühe-Fans sein. Auf Speisekarten in Restaurants stehen neuerdings Beef Tea oder Ox Tea. Firmen wie Brox aus Berlin verkaufen Fleischbrühe im Glas. Und in New York sollen bei dem Brühe-Shop Brodo bis zu 400 Menschen für einen To-go-Becher Knochenbrühe Schlange stehen.
Die Liste der positiven Wirkungen, die man dem angeblichen Zaubertrank und vor allem dem enthaltenen Protein Kollagen zuschreibt, ist lang. Knochenbrühe soll unser Immunsystem, unser Gewebe und unsere Knochen stärken. Sie soll gut für die Verdauung und für die Gelenke sein, soll Entzündungen, Heißhunger, Stimmungsschwankungen, Falten und Cellulite vorbeugen. Für schönere Haut, Haare und Nägel soll sie sorgen und die Fettverbrennung ankurbeln. Und dann ist sie auch noch fasten-, detox- und paleokompatibel und so sättigend, dass sie ganze Mahlzeiten ersetzen kann.
Vom Notgericht zum Foodtrend
Ein Buch nach dem anderen erscheint derzeit über die heilende und abnehmfördernde Wirkung der Brühe. Schon in der Traditionellen Chinesischen Medizin wird ihr eine positive Wirkung auf Nieren, Verdauung, Knochen und die Bildung roter und weißer Blutkörperchen nachgesagt, und die Dichterin Hildegard von Bingen empfahl Kalbsfußsuppe schon im Mittelalter bei Bandscheibenleiden. Trotzdem war es bis vor kurzem ziemlich aus der Mode gekommen, Knochen auszukochen, wohl auch wegen des BSE-Skandals in den neunziger Jahren.
Mit Gepflogenheiten aus der Nachkriegszeit, als es noch keine Bouillons und Fonds im Supermarkt zu kaufen gab, hat das heutige „Super-“ oder „Power Food“ Knochenbrühe allerdings nicht mehr viel zu tun. Der Unterschied beginnt schon bei der Beschaffung der Knochen. Als Fleisch und überhaupt alle Lebensmittel knapp waren, hat man die Knochen aus Sparsamkeit verwertet, um daraus eine weitere Mahlzeit zu kochen. Man hat nicht extra welche für die Brühe gekauft. Meine Oma, die ich bei der Recherche kontaktiere, lacht mich darum aus, als ich erzähle, dass ich beim Metzger vier Kilo Rinder- und Markknochen vorbestellt und 20 Euro dafür bezahlt habe.
Für die Generation meiner Mutter und Oma bedeuteten Fonds eine Art Emanzipation – wie Tiefkühlobst oder Gemüse aus der Dose. Für die marmeladenkochenden, kohlfermentierenden Foodies von heute scheint das Knochen-Auskochen nur ein weiteres Hobby zu sein. Oder steckt doch mehr hinter dem Hype? Hat die Brühe tatsächlich so etwas wie Heilkräfte? Oder hat ihre Wiederentdeckung mit der tröstlichen Wirkung einer heißen Tasse Suppe zu tun? In den kommenden Wochen will ich das herausfinden.
Von der Nase bis zum Schwanz
Als Erstes nehme ich mir das Rezept der Hemsley-Schwestern vor. Jasmine und Melissa Hemsley sind zwei der erfolgreichsten Kochbuchautorinnen Großbritanniens. Sie vertreiben Stoffbeutel mit der Aufschrift „Boil your bones“ und empfehlen die Knochenbrühe nicht nur als flüssigen Frühstücksersatz, sie geben sie in viele Gerichte: in Eintöpfe, Soßen und Risottos, aber auch ins Rührei.
Rinder- oder Lammknochen soll man den Hemsleys zufolge zwölf und bis 24 Stunden kochen. Das wird ein Wochenendprojekt. Anders als die meisten Superfoods, die auf den Alltag von Büromenschen ausgelegt sind, erfordert selbstgemachte Knochenbrühe Planung und viel Zeit. Und es gibt noch einen Unterschied: Die meisten Superfoods sind Beeren oder Früchte, Kerne, Nüsse, Kräuter oder Gewürze – mindestens vegetarisch, oft sogar vegan. Knochenbrühe dagegen hat als Basis Fleisch und Knochen, und man kommt bei der Zubereitung auch mehr mit Tier in Kontakt, als es die meisten Menschen heute gewohnt sein dürften, die beim Metzger Filet oder Hackfleisch kaufen.