Junge Brenner : Die Schnaps-Idee
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Gin aus Bayern Bild: Müller, Andreas
Regional und Bio: Immer mehr junge Menschen brennen ihre eigenen Spirituosen und verkaufen sie mit Erfolg.
Immer wenn ihre letzte Vorlesung zu Ende war, fing ihr Arbeitstag erst richtig an. Dann setzten sie sich ins Auto, fuhren in das 130 Kilometer entfernte Hauzenberg und fingen an zu destillieren – ihren eigenen Wodka.
Johannes Heindl und Richard Söldner aus dem Bayerischen Wald kennen sich seit ihrer Bundeswehrzeit und studierten auch zusammen in Regensburg, Johannes Medizin und Richard Betriebswirtschaft. In ihrer Studenten-WG traf sich regelmäßig der ganze Freundeskreis zum Schafkopf-Spielen. „Wir trinken gerne Wodka, nur schmecken die aus dem Supermarkt entweder wie Spiritus oder sind viel zu teuer für uns. Irgendwann scherzte jemand auf einer Party, ,wir könnten doch auch selbst welchen machen‘“, erzählt Johannes, „einen Wodka aus dem Bayerischen Wald.“
Und dann haben sie es einfach gemacht. In ihrer Regensburger WG-Küche. Zwei Jahre lang recherchierten sie, welche Zutaten sie brauchen, überlegten sich einen Namen für ihren Wodka und ein Design für die Flaschen. Inzwischen sind sie 28 Jahre alt, haben zu Ende studiert, und ihr Schnaps wird gebrannt, wenn auch in der niederbayerischen Provinz: Eine eigene Brennanlage können sie sich – noch – nicht leisten, deshalb lassen sie den Wodka nach ihrem eigenen Rezept von der Firma Penninger in Hauzenberg brennen und abfüllen. Das Unternehmen ist vor allem für seinen Kräuterlikör „Blutwurz“ bekannt. Das könnte sich bald ändern.
Anders als die anderen
Im August ging „Vodrock“ in den Verkauf. „Ein Wodka, der rockt“, erklärt Johannes den Namen. Neben dem Inhalt vermarkten sie vor allem die Herkunft: „Distilled & Bottled in Bayern“ steht auf den Flaschen, deren Etikett mit einem kaleidoskopähnlichen weiß-blauen Rautenmuster versehen ist. Ihre erste Produktion, insgesamt 330 Flaschen, war nach drei Wochen ausverkauft.
Noch krempeln sie damit den Markt nicht um, aber stehen nicht alleine mit ihrer Idee. Vielmehr gehören sie zu einer neuen Generation von Schnapsbrennern: Sie sind jung, verwenden ausschließlich Bio-Zutaten, setzen auf Handarbeit, Qualität und Regionalität. Ihr Schnaps ist anders als die anderen – wie seine Brenner selbst – und wird in Flaschen abgefüllt, die allein schon zum Statussymbol taugen. Diese Mischung ist im Moment eine Verkaufsgarantie.
„Identitätsmanagement“, nennt der Trendforscher Sven Gábor Jánszky aus Leipzig dieses Phänomen: „Wenn man zum Beispiel Bio- oder Produkte aus der Region kauft, tut man das natürlich, weil man davon überzeugt ist, aber auch, um seinem Umfeld zu zeigen, dass man anders ist, dass man besonders öko eingestellt oder regional verbunden ist.“ Das ist wichtig für die Kaufentscheidung – beim Hühnerei und bei der Salatgurke schon lange, beim Schnaps ist es neu.
Nach einem uralten Verfahren
Zurzeit werden überall in Deutschland kleine Schnapsmanufakturen gegründet, die sich an Ungewöhnliches wagen. Im Schwarzwald („Monkey47 – Schwarzwald Dry Gin“) und in München („The Duke“) wird Gin gebrannt. Es gibt eigene Whiskys vom Schliersee („Slyrs“), aus der Oberpfalz („Stonewood Woaz“) und dem oberfränkischen 6000-Einwohner-Ort Eggolsheim, Wodka aus dem oberbayerischen Hausham („Bavarka“), aus München („Monaco Vodka“). Und eben „Vodrock“ aus dem Bayerischen Wald.
Thomas Seemann vom Hauptzollamt Stuttgart verzeichnet zwar insgesamt noch keinen bedeutsamen Anstieg der vergebenen Brennlizenzen. „Das Gros sind nach wie vor die großen Brennereien, die Nullachtfünfzehn-Sachen produzieren. Aber es gibt immer mehr ausgefallene Sachen, wie schwäbischen Whisky oder Gin aus dem Schwarzwald, die, zumindest am Anfang, sehr kleine Mengen brennen.“ Eine ähnliche Entwicklung ist beim Bier zu beobachten: In den vergangenen Jahren sind viele kleine Brauereien dazugekommen, die unverwechselbare, regional verwurzelte und hochwertige Biere brauen. Gerade erreicht dieser Trend die Spirituosen. Fast jede Woche kommt eine neue Mikro-Brennerei dazu, die auf Bio-Produkte und Handarbeit setzt und an Traditionen anknüpft, die von der industriellen Fertigung längst verdrängt worden sind.
Auch Heindl und Söldner und Richard tun das. Ihr „Vodrock“ wird nicht wie die meisten bekannten Wodka-Sorten aus Weizen, sondern aus Kartoffeln hergestellt, und das nach einem uralten Verfahren: „Statt reinen Alkohol und Wasser zu mischen, um auf etwa 40 Prozent Alkoholgehalt zu kommen, setzen wir nach der Gewinnung des reinen Alkohols eine vierprozentige Mischung aus Alkohol und bayerischem Quellwasser an, die noch einmal destilliert wird“, erklärt Johannes. Das Destillat wird dadurch extrem mild – auch ein Trend bei Spirituosen.