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Weingut Zehnthof Luckert : Der Fürstbischof bittet zur Soiree im Glas

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Die Familie Luckert vor ihrem Weingut
Die Familie Luckert vor ihrem Weingut : Bild: Pressebilder Weingut Zehnthof

Plaudertaschen oder Plappermäuler sind die Weine vom Zehnthof allerdings nicht, sondern gravitätische Gewächse, die Gewichtiges zu sagen haben und die man nicht nebenbei mit nachlässiger Konzentration wegtrinken kann. Der Silvaner von alten Reben strotzt vor Kraft und Wucht und kann angesichts des Sonnenjahres 2018 gar nicht ganz auf Fruchtkitsch verzichten, sondern schmeckt nach einem tropischen Obstkorb voller Bananen und Mangos. Auch der Silvaner vom Sonnenberg, der machtvolle 13,5 Prozent Alkohol hat, schwelgt in Cremigkeit, als komme er aus der Pâtisserie, nicht aus dem Weinberg, und er liebt den barocken Auftritt, als sei er eigens für Soireen in der fürstbischöflichen Residenz zu Würzburg gekeltert worden. Das Große Silvaner-Gewächs aus dem Maustal hingegen ist ein hochkonzentrierter Wein voller Würze, ein hochseriöser Botschafter des Terroirs, der mit seiner Intensität ohne Aufdringlichkeit, seiner Eleganz ohne Leichtlebigkeit, seinen gelben Fruchtaromen ohne Bonbonnieren-Bouquet der fränkischen Nationaltraube auf ganz eigene Art alle Ehre macht.

Ewiggestrigkeit kann man Wolfgang und Ulrich Luckert also beim besten Willen nicht vorwerfen, höchstens einen wohlüberlegten Konservativismus und radikalen Individualismus an der Grenze zur Querköpfigkeit. Sie statten sämtliche Weine, selbst die Großen Gewächse, mit neumodischen Schraubverschlüssen aus. Sie stecken ihre Weine ausnahmslos ins große Holz, am liebsten ins Doppelstückfass, aber nicht aus Traditionsstarrsinn, sondern zum Wohl der Komplexität, denn Edelstahl ist ihnen zu reduktiv. Und sie haben sich vom Verband für ökologischen Landbau zertifizieren lassen, was allerdings nicht heißt, dass sie „mit Jesus-Latschen im Weinberg herumlaufen, um die Welt zu retten“, wie Ulrich Luckert freimütig bekennt. Das Naturland-Siegel trügen sie nur, weil der ökologische Weinbau die beste Garantie dafür sei, den Geschmack des Bodens nicht zu verfälschen und ihre individuelle Handschrift ebenso unverfälscht ins Glas zu bringen.

Sie ist bei den Luckert-Brüdern erstaunlich ebenmäßig und erlaubt sich kaum einmal aromatische Eskapaden. Der Sauvignon Blanc mag ein wenig salziger und bitterer als die anderen Gewächse schmecken, der Müller-Thurgau etwas schlanker und klarer. Doch kraftvoll und kernig, dicht und intensiv sind diese beiden Ortsweine gleichermaßen. Dasselbe gilt für die Ersten Lagen, für den Steinriegel-Riesling mit seiner Pfirsich-Vanille-Opulenz, den Terrassen-Weißburgunder mit seiner Schwelgerei in rauchiger Mineralität oder den Chardonnay vom Sonnenberg mit seiner prunkvollen Apfelsäure, allesamt barocke Sonnenkönige, keine Rokoko-Elfen, die längst weit über Franken hinaus einen treuen Kreis an Verehrern gefunden haben, so dass die Luckerts im Herbst bis auf die Großen Gewächse immer ausverkauft sind. Und so kann sich jeder, der den Zehnthof mit einem vollen Kofferraum verlässt, wie ein spätberufener, fürstbischöflicher Decimator fühlen, der sich seinen weingottgewollten Anteil glücklich gesichert hat.

Weingut Zehnthof Luckert, Kettengasse 3-5, 97320 Sulzfeld am Main, Tel.: 09321/23778, www.weingut-zehnthof.de

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