Honig : Flüssiges Gold
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Jeder Deutsche isst im Durchschnitt 1,1 Kilogramm Honig im Jahr. Bild: mauritius images
Honig gilt als natürlich und gesund. Doch bei den Sorten im Supermarkt sollten Kunden aufpassen: Nicht immer steckt drin, was draufsteht – und steht drauf, was drinsteckt.
Die bestbewachten Bienen Deutschlands leben in Berlin-Tiergarten. Zu ihnen kommt man, wenn man seinen Personalausweis gegen einen Hausausweis eintauscht, ein großes Eisentor passiert, durch einen Metalldetektor wie am Flughafen geht und sich in die Tasche gucken lässt. Anschließend noch ein paar hundert Meter weiter, vorbei an Rhododendron-Büschen und streng dreinschauenden Bundespolizisten in schusssicheren Westen. Sodann, links vom Wegesrand, tauchen sie auf: die vier Bienenstöcke im Garten des Schloss Bellevue, des Amtssitzes des Bundespräsidenten. „Sie stehen nun an der gefährlichsten Stelle – in der Einflugschneise der Bienen“, warnt Berufsimker Cornelis Hemmer seinen Besucher. Zweimal im Jahr ist Honigernte. Doch viel Flugverkehr herrscht bei den Bienen an diesem Tag nicht mehr: Hemmer hat sie bereits zu Genüge gestresst, geschröpft und ihren Honig gegen Zuckerwasser getauscht, damit die Bienen über den Winter kommen.
Er zieht „Rähmchen“ voller Honig aus den Holzkästen der Bienenstöcke. Wer mit dem Finger in die Wachswaben pikst, kann das „flüssige Gold“ – so der indogermanische Wortstamm von Honig – gleich kosten. „Wachs mit Honig, das ist Steinzeitkaugummi, das älteste Kaugummi der Welt“, scherzt er. Den Honig des Bundespräsidenten gibt es nicht zu kaufen. Die 200 Gläser im Jahr bekommen in- und ausländische Gäste geschenkt, einen Teil genießen Staatsgäste auf Banketten in Desserts und Salatsoßen. Einen kleinen Teil verbraucht der Bundespräsident selbst.
Ratlose Verbraucher
Die 80 Millionen Menschen, die sein Volk ausmachen, sind Weltmeister im Honigessen. Kein anderes Land liebt Honig mehr. Den Honig kaufen die Deutschen anders als ihr Bundespräsident aber überwiegend im Supermarkt – und zu 80 Prozent stammt dieser aus dem Ausland. „Honig aus EU- und Nicht-EU-Ländern“ steht auf den meisten Gläsern und Plastikspendern. Im Klartext: Er kann von überall herkommen. Entsprechend ratlos bleiben gesundheitsbewusste Verbraucher zurück. Woher genau ihr Honig stammt, erfahren sie so nicht. Wie kann das sein, dass eine Kennzeichnung im Land des Lebensmittelschutzes so ungenau bleiben darf? Wie können Honigesser vermeiden, dass Pestizide wie Glyphosat oder Rückstände von genetisch veränderten Pflanzen auf den Frühstückstisch kommen? Ist Biohonig besser? Wie kann der Imker garantieren, dass die Bienen nur auf Biofeldern Pollen und Nektar sammeln?
„Kann er nicht“, sagt Cornelis Hemmer. „Bienen können nicht lesen. Sie wissen nicht, ob sie eine Biowiese oder einen konventionell bewirtschafteten Acker im Radius von bis zu fünf Kilometern anfliegen.“ Er selbst hält seine Bienenvölker konventionell und sieht gerade bei Honig wenig Unterschiede zwischen bio und nicht bio. Biofachleute entgegnen, frei lebende Tiere wie Bienen könnten zwar nicht hundertprozentig bio sein, aber sie könnten in Gebieten mit mehr ökologisch bewirtschafteten Flächen beheimatet werden, weniger Medikamente und ausschließlich Biozucker für den Winter bekommen. Zudem werde der Bioimker durch ein unabhängiges Institut mindestens einmal im Jahr kontrolliert und zertifiziert.
Nicht empfehlenswert
Das Magazin „Ökotest“ etwa bleibt da trotzdem streng. Unter der Überschrift „Kein Honigschlecken“ hat das Verbrauchermagazin 2014 18 konventionelle und ökologisch produzierte Produkte getestet. Ergebnis: Zwei Drittel der getesteten Honige mochten die Tester nicht empfehlen. Sie fanden gentechnisch veränderte Bestandteile, Pestizide und giftige Alkaloide. Frei von Rückständen wie dem Insektizid Thiacloprid seien auch vier getestete Biohonige nicht gewesen.