Weltkulturerbe : Harissa, eine Paste für die Identität
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Fehlt in keinem Haushalt: Ein Händler präsentiert das Nationalgewürz Harissa auf dem Zentralmarkt in Tunis. Bild: AFP
Die UN-Kulturorganisation UNESCO hat das tunesische Gewürz Harissa zum Weltkulturerbe erklärt. Die aus Chilis angefertigte Paste sei ein „Faktor des sozialen Zusammenhalts“.
Die „Adler von Karthago“ kämpften leidenschaftlich. Aber das 1:0 gegen die Fußballgroßmacht Frankreich reichte nicht. Trotz ihres Triumphs schied die tunesische Nationalmannschaft bei der WM in Qatar aus. Dennoch kann der Maghreb in diesen Tagen gleich aus mehreren Gründen stolz auf sich sein.
Besonders die Tunesier freuten sich über einen scharfen Trost. Nach dem französischen Baguette hat die UN-Kulturorganisation UNESCO auch Harissa zum „Immateriellen Kulturerbe der Menschheit“ erklärt. Insgesamt 17 Formen von überliefertem Wissen und Können nahm der UNESCO-Ausschuss, der bis zum Samstag in Marokko tagte, in diesem Jahr in seine Liste auf. Mehr als 50 Anträge lagen vor, Tunesien hatte den für das Gewürz aus Chilipaste gestellt, das aus der nordafrikanischen Küche nicht wegzudenken ist. In Tunesien fehlt sie in keinem Haushalt und auf keinem Restauranttisch.
Harissa „wird als Identitätselement des nationalen kulinarischen Erbes und als Faktor des sozialen Zusammenhalts wahrgenommen“ – die Chilipaste, die nirgendwo so scharf ist wie in Tunesien, verbinde „das ganze Land“, hieß es aus Tunis zur Begründung des Antrags.
Bei der Zubereitung spielen die Frauen die Hauptrolle. Die Chilischoten brauchen vor allem reichlich Sonne. Aufgeschnitten und entkernt werden sie in Bündeln getrocknet. Dann werden sie gewaschen und mit frischen Gewürzen gemahlen. Salz, Knoblauch und Koriander gehören dazu, bei anderen kommen Kreuzkümmel, Kümmel, getrocknete Tomaten und etwas Olivenöl dazu. Beim Zerkleinern kommt meist ein Fleischwolf zum Einsatz.
Nabeul feiert ein Harissa-Festival
Es gibt zahlreiche lokale Varianten in Tunesien. In der Küstenstadt Nabeul feiert man ein Harissa-Festival – während der Pandemie sogar virtuell. Schon im Frühjahr bereiten dort die Frauen ein „Harissa Mayou“ zu, eine grünliche Version von Harissa, die mit Blättern von Feigen-, Johannisbrotbäumen und Mispeln angereichert ist. Weiter südlich, in Gabes, heißt die Harissa „Hrous“; zu den Chilis kommen noch Zwiebeln dazu. Die Schoten werden aber nicht nur verarbeitet, sondern auch an Webstühlen aufgehängt. Das soll Unglück abwehren.
Schon vor zwei Jahren kam ein nordafrikanisches Gericht auf die UNESCO-Liste. Damals stellten Algerien, Marokko, Mauretanien und Tunesien gemeinsam den Antrag für Couscous, das nicht nur im Maghreb gegessen wird, sondern auch im Nahen Osten, Westafrika und in Israel. Tunesier mögen Couscous gern scharf und fügen mehr Harissa hinzu als Marokkaner und Algerier.
In Algerien gab es ebenfalls Grund zu feiern, denn die UNESCO würdigt in diesem Jahr den „Raï“, der mehr ist als ein Stil traditioneller algerischer Volksmusik: „Ein musikalisches Mittel, um eine soziale Realität ohne Tabus und Zensur zu vermitteln“, bei dem es um Themen wie Liebe, Freiheit und Verzweiflung gehe, heißt es anerkennend. Das arabische Wort „raï“ lässt sich mit „Meinung“ übersetzen. In Algerien setzten sich Raï-Sänger schon bald für die Unabhängigkeit ihres Landes ein. In den Siebzigerjahren wurde der Raï dann unter dem Einfluss der Popmusik mit Sängern wie Cheb Mami und Cheb Khalil international erfolgreich, besonders in Frankreich.
Aus Nordafrika richten sich jetzt jedoch viele Blicke auf den Golf. Am 6. Dezember treffen bei der WM in Qatar Marokko und Spanien im Achtelfinale aufeinander. Zuvor hatte Marokko den ersten Gruppensieg einer afrikanischen Mannschaft seit der WM 1998 errungen.