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Gewürzpapst Ingo Holland : Mann des guten Geschmacks

Ingo Holland Bild: Altes Gewürzamt

Ingo Holland gilt als Gewürzpapst Deutschlands. Die Pandemie half ihm – und tat zugleich weh. Bald werden die Schmerzen verschwunden sein.

          4 Min.

          Schmerzende und gewinnbringende Folgen der Corona-Pandemie liegen in diesem Gebäude nur ein Stockwerk auseinander. In Klingenberg am Main produziert Ingo Holland in diesem zweistöckigen Neubau die bekannten grünen Gewürzdosen der Marke „Altes Gewürzamt“. Zudem gibt er hier seine beliebten Kochseminare. In der oberen Etage herrscht seit zwei Jahren Tristesse. Der 600 Quadratmeter große Raum mit großzügig verglasten Wänden, in dem bei großen Veranstaltungen manchmal bis zu 200 Menschen feierten, ist seit dem ersten Lockdown meist menschenleer. Vorher war hier jede Woche etwas los.

          Marco Dettweiler
          Redakteur in der Wirtschaft.

          Wenn Ingo Holland und sein Küchenchef Koch- und Gewürzseminare geben, stehen zwar nur maximal fünfzehn Kursteilnehmer um die bestens ausgestattete Küchenzeile herum, wo mit Töpfen, Pfannen, Mörsern und Mühlen hantiert wird. Aber Holland füllt mit seiner lockeren und witzigen Art dann trotzdem den ganzen Raum mit Leben. Doch zwei Jahre lang war es hier oben tot. „Ich habe mich geweigert, mit Maske und Acrylwänden meine Seminare zu geben“, sagt der gebürtige Klingenberger. Onlineveranstaltungen seien keine Alternative. Er müsse „die Leute vor sich haben“, müsse spüren, „ob sie fasziniert sind“.

          Menschen wie Ingo Holland brauchen Menschen um sich herum. Er plaudert gern, aber nie aus dem Nähkästchen. Seine Qualitäten als Entertainer hätten ihm die Tür zum Fernsehen für eine Kochshow aufstoßen können. Aber vermutlich fühlt er sich in der fränkischen Provinz am wohlsten, wo er den größten Teil seines Lebens verbracht hat. Und das, obwohl „Klingenberg halb so groß“ sei „wie der Hauptfriedhof in Chicago, aber doppelt so tot“. Dass er fast zwei Jahre keinen Kontakt mit Kursteilnehmern hatte, habe „sehr wehgetan“, auch finanziell. Die Menschen sind bald wieder zurück. Ende des Monats dürfen Teilnehmer in der oberen Etage im Produktionsgebäude an Trüffeln schnuppern. Dieser Kurs ist wie einige andere schon ausgebucht. Seine kräftigen Hände werden sich dann Woche für Woche über Reh, Bratwürste oder Hummer hermachen, während er in seinem hessisch-unterfränkischen Dialekt den Menschen den Weg zu gutem Essen weist.

          „Mein Gott, die Leute kochen wieder!“

          Doch Ingo Holland ist nicht nur Sternekoch, der gern Kurse gibt und Bücher schreibt. Wofür er in Deutschland am meisten bekannt ist, sind seine grünen Dosen mit der Aufschrift „Altes Gewürzamt“, von denen viele Tausend im Erdgeschoss lagern und täglich drei bis sechs Paletten verschickt werden. Die Blechdosen beinhalten Gewürze und Mischungen, die unter ambitionierten Hobbyköchen wie auch jenen mit Stern bekannt und beliebt sind. Corona hat dafür gesorgt, dass sie noch beliebter wurden und der Absatz in die Höhe ging, weil die Leute weniger das Haus verließen und ihre Küche wiederentdeckt haben. „Mein Gott, die Leute kochen wieder!“, dachte Holland damals, als die Nachfrage nach seinen Gewürzen gestiegen war.

          Holland kümmert sich persönlich um die bis zu 350 Sorten. Wo er die Gewürze einkauft, wie er sie bearbeitet, welche Verhältnisse die Mischungen haben, bleibt sein Geheimnis. Er hat nicht nur als Koch ein feines Näschen. Mit viel Geschick und Geduld hat Holland seine Marke aufgebaut und sich im Markt etabliert. Er versucht ständig den Produktionsprozess zu optimieren, seine Gewürze zu perfektionieren. Deshalb integrierte er etwa ein „Röntgengerät“ an der Kontrollstation, veränderte den Weg der Gewürze zur Abfüllmaschine, schaffte Mühlen mit neuer Absaugtechnik an und reinigt seit einer Weile Maschinen mit Trockeneis. „Wir probieren viele Sachen aus“, sagt er. Einige Maschinen sind Spezialanfertigungen, die er für sich bauen lässt, deren Idee von ihm kämen.

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