Kolumne Geschmackssache : Die Wiedergeburt des Flensburger Rums
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Epizentrum der Renaissance von Flensburgs Rum: Das Wein- und Rumhaus Braasch gehört inzwischen zu den Hauptattraktionen der nördlichsten Stadt Deutschlands. Bild: Rumhaus Braasch
Flensburg kennen die meisten nur wegen Punkten, Pils und Pornografie, nicht aber wegen seines wahren Schatzes: Es war und wird nun wieder Deutschlands Rumhauptstadt.
Wenn ein Flensburger kokst, zieht er sich kein weißes Pulver in die Nase, um die ganze Nacht durchzutanzen, was seinem eher bedächtigen Wesen auch gar nicht entspräche. Vielmehr gießt er sich gemütlich einen Rum ins Glas, gibt zwei Stück Würfelzucker und zwei Kaffeebohnen dazu, zerkaut das Ganze gründlich und hält damit eine jahrhundertealte Tradition am Leben, die 1755 begann, und das kam so.
Deutschlands nördlichste Stadt gehörte von 1460 bis 1864 zum Königreich Dänemark und war lange Zeit dessen wichtigster Hafen. Deswegen gewährte der dänische König 1755 den Flensburgern das Privileg, mit seinen karibischen Kolonien Handel zu treiben. Das waren zwar nur die drei Eilande St. Croix, St. Thomas und St. John östlich von Puerto Rico, auch bekannt als Dänische Jungferninseln, doch der Zuckerrohranbau florierte dort prächtig. Noch im selben Jahr lief an der Förde das erste Schiff voller Zucker und Rum ein, einem Nebenprodukt der Zuckerproduktion, das aus der fermentierten und destillierten Melasse gewonnen wird. Zunächst wusste niemand etwas mit dem seltsamen subtropischen Feuerwasser anzufangen, bald aber erkannten die Flensburger Schnapsbrenner, dass man den Rum durch kluges Mischen und lange Lagerung zu einer Delikatesse verfeinern konnte.
Destillieren ist wie Fahrradfahren
So wurde Flensburg zur nordeuropäischen Rummetropole und blieb es auch, als die Stadt nach dem deutsch-dänischen Krieg preußisch wurde. In Jamaika fand man schnell Ersatz für das dänische Zuckerrohr, und selbst eine drastische Erhöhung der Alkoholsteuern, berechnet pro Fass, konnte den Rumbaronen nichts anhaben: Jetzt importieren sie Rumkonzentrat und vermischten es mit heimischem Korn – und schon war der berühmte Flensburger Rumverschnitt geboren.
Als Walter Braasch 1970 beim alten Andresen als einer der letzten Lehrlinge in Flensburg das Handwerk des Destillierens lernte, war es mit der Rumherrlichkeit allerdings schon vorbei. Rum galt als Allerweltsspirituose, die zu Ramschpreisen unters Volk gebracht wurde, die meisten Rumfabriken waren geschlossen oder verkauft, und der Nachwuchsdestillateur verlegte sich notgedrungen auf den Weinhandel.
Als es aber 1998 den allerletzten Fabriken an den Kragen ging, konnte er nicht mitansehen, wie die Tradition starb, und entschloss sich zum Handeln – was nach so vielen Jahren der Abstinenz kein Problem war, denn Rumveredelung sei wie Fahrradfahren, das verlerne man nicht, sagt Walter Braasch. Er kreierte den „Chefrum“ nach dem Rezept seines Lehrmeisters, eine ganz besonders feine Mischung, die sich der alte Andresen nur an hohen Feiertagen gönnte, und wagte es, diese Spitzenspirituose für 39,50 Mark in seiner Weinhandlung zu verkaufen. Beim Braasch gebe es Rum zu Freudenhauspreisen, wurde daraufhin in Flensburg getuschelt, doch der Braasch ließ sich nicht beirren und sollte bald recht bekommen.