Der Kaffee meines Lebens : Der letzte Kaffee auf dem Meer
- -Aktualisiert am
Anreise per Boot: Touristen legen auf einer der Galapagos-Inseln an. (Archivbild) Bild: AFP
Unsere Autorin ist sonst anspruchsvoll. Doch bei einer Bootsfahrt vor den Galapagos-Inseln fand sie sich ausgerechnet von Instant-Kaffee beseelt.
Guter Kaffee ist kein Zufall. Anspruchsvolle Kaffeetrinkerinnen wie ich wissen das und bestellen ihr Lieblingsgetränk nie unbedarft. Nur wer die Maschine kennt, kann das Plörre-Risiko realistisch einschätzen – und rechtzeitig nach Kräutertee fragen. Denn kein Kaffee ist im Zweifel besser als schlechter Kaffee. Mit dieser Maxime habe ich mir schon jede Menge Frust erspart. Hätte ich sie ganz konsequent verfolgt, wäre mir allerdings auch der beste Kaffee meines Lebens entgangen. Aber der Reihe nach.
Ein befreundetes Paar lud zur Hochzeit ein. Ein bisschen kurzfristig, erst im Odenwald, dann in Ecuador. Schnell ging im Freundeskreis die Diskussion los: Nach Südamerika fliegen oder doch nur zuhause mitfeiern? Und wenn fliegen, wie lange bleiben? Die letzten Urlaubstage schon vor Weihnachten aufbrauchen? Und war Guayaquil, die Heimat der Braut, nicht eher eine gefährliche Stadt?
Am Ende sagten nur der Trauzeuge und seine Freundin zu. Sie planten nach der Hochzeit noch drei Wochen Rundreise durch Ecuador. So viel Zeit hatte ich nicht. Aber ich wollte mit. Sehr. Also grübelte und googelte ich. Schaute in meinen Dienstplan. Ging ins Reisebüro. Verglich Preise. Stritt mit meinem Freund, der von der Reise nichts hielt. Und grübelte weiter.
Eine Wenn-schon-denn-schon-Entscheidung
Eine knappe Woche vor dem Hochzeitstermin buchte ich. Einen Flug nach Guayaquil und zwei Übernachtungen im Hotel, dann vier Tage Galapagos-Inseln und einen Rückflug nach Frankfurt. Es war eine Wenn-schon-denn-schon-Entscheidung: wenn schon absurd, dann wenigstens mit Riesenschildkröten, Blaufußtölpeln und Darwinfinken.
Am zweiten Tag auf den Inseln hatte ich eine Bootstour mit einer Gruppe gebucht. Wir würden von Santa Cruz nach Nord Seymour fahren, um dort Vögel zu beobachten. Ein Mini-Van sammelte uns schon früh am Morgen ein, Frühstück sollte es an Bord geben. Keine Wolke war am Himmel zu sehen, aber der Wind war stark. Die Tische an Deck waren deshalb nicht besonders begehrt. In der Kabine zu sitzen, kam für mich aber nicht in Frage. Ich war auf Abenteuerfahrt und eine Abenteurerin würde nicht wegen ein paar Böen den Rückzug antreten. Dass ich meine Toastscheiben vor dem Davonfliegen schützen musste (was mir bei meiner Baseballkappe nicht gelang) – geschenkt.
Ein amerikanisches Paar, das mit mir am Tisch saß, brach das Projekt „Frühstück an Deck“ nach ein paar Minuten ab. Ich blieb, beseelt und ohne Sonnenschutz, schenkte mir aus der Thermoskanne Kaffee ein und schaute auf die Wellen. In der Tasse hatte ich mit großer Wahrscheinlichkeit Nescafé, aufgelöst in heißem Wasser.
„Schnellen Kaffee“ hatte mein Vater ihn immer genannt, und sich oft am Abend zum Fernsehgucken noch einen aufgegossen, bis auch bei meinen Eltern ein Vollautomat Einzug hielt. Ich als Kaffeegourmet hatte dafür – Pulverkaffee und Vollautomat – nur Verachtung übrig.
Doch plötzlich, Tausende Kilometer von zuhause entfernt, auf einem schwankenden Boot im Ostpazifik, wurde ich gnädig. Ich vergaß alles Wissen über Extraktionszeiten, Tamping und Robusta-Anteile. Ich genoss einfach das, was ich in der Tasse hatte: ein Allerweltsgetränk. Heiß, ein bisschen würzig, ein bisschen säuerlich, ohne besondere Aromen oder Latte Art. Ich war an einem Ort auf der Welt, den ich wahrscheinlich kein zweites Mal sehen würde. Ich hatte die Chance, einzigartige Landschaften zu sehen. Und ich hatte Kaffee. Alles war gut.
Noch besser wurde dieser Moment in meiner Erinnerung. Wenige Wochen nach meiner Reise gab es die ersten Berichte über das Coronavirus. Als dann der Lockdown kam, war ich im Homeoffice immer nah an meiner Siebträger-Maschine und gutem Kaffee. Aber kein Espresso war so tröstlich wie der Gedanke an meine letzte Tasse auf dem Meer.
Kolumnen auf FAZ.NET
Im wöchentlichen Wechsel erscheinen im Stil-Ressort mittwochs die Kaffee-Kolumne „Der Kaffee meines Lebens“, die Beziehungskolumne „Ich. Du. Er. Sie. Es.“, die „Fünf Dinge“-Kolumne und die Kolumne „Der Moment“. In der Kaffee-Kolumne geht es um besondere Momente mit diesem Getränk, die während einer Reise, aber auch in der heimischen Küche passiert sein können.