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Kolumne Geschmackssache : Das wahre Märchen vom reinen Wein

  • -Aktualisiert am

Eva Fricke hat sich mit ihrem Weingut im Rheingau gegen die Platzhirsche durchgesetzt. Bild: Gisela Goppel

Eva Fricke ist erst seit zwölf Jahren Winzerin – ein Wimpernschlag im traditionsreichen Rheingau und doch Zeit genug, um sich mit einem radikalen Konzept ihren Platz zwischen den etablierten Platzhirschen zu sichern.

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          Die Winzerin Eva Fricke ist sehr blond und sehr blauäugig, und die Erwähnung dieser Äußerlichkeiten hat nichts mit Machismo zu tun, sondern tut ausnahmsweise etwas zur Sache. Denn wäre es anders, wäre Eva Fricke zumindest metaphorisch gar keine Winzerin geworden. „Man muss schon sehr blond und sehr blauäugig sein, um das zu machen, was ich vor sieben Jahren gemacht habe“, sagt Fricke, die damals ihren sicheren Posten als Betriebsleiterin eines Rheingauer Riesenweinguts aufgab, um sich mit mickrigen drei Hektar Rebfläche selbständig zu machen, ohne Investor, ohne Winzerfamilie, ohne Erfahrung mit der Eigenständigkeit im Rücken. „Aus Spaß wurde über Nacht Ernst“, meint Fricke rückblickend, und fast glaubt man, bei diesen Worten einen Schauder über ihr Gesicht huschen zu sehen, das ansonsten nicht den Eindruck macht, häufig seine strenge Façon aus Blondheit und Blauäugigkeit zu verlieren.

          Der Spaß hatte 2006 begonnen, als sich Eva Fricke einen winzigen, kaum mehr als tausend Quadratmeter kleinen Weinberg in Lorch zulegte und als ersten Jahrgang putzige sechshundert Flaschen kelterte. Eine davon, noch ohne Etikett und mit einem Kronkorken als Verschluss, schickte sie einer alten Schulfreundin, die für Tim Raue in Berlin und dessen Restaurant im Hotel Adlon die Pressearbeit machte. Der Fricke-Wein wurde in lustiger Runde geköpft und für so gut befunden, dass sich der Einkaufschef des Adlon die gesamte Ernte sicherte. So beginnen Weinbauernmärchen, und unseres ist noch lange nicht zu Ende. Heute bewirtschaftet Eva Fricke elf Hektar rund um Lorch, Kiedrich und Eltville, füllt jedes Jahr 65.000 Flaschen ab, exportiert in zwanzig Länder, steht in Spitzenlokalen rund um den Globus auf der Weinkarte, wird allerorten für ihre reinrassigen Rieslinge gerühmt und sogar vom strengen Mister Parker mit enthusiastischen Neunziger-Punkte-Bewertungen bedacht.

          Trauben statt Hopfen

          Im Grunde blieb Eva Fricke gar nichts anderes übrig, als Winzerin zu werden, auch wenn ihr Lebensweg anfangs in eine ganz andere Richtung wies. Sie wurde 1977 in Bremen als Tochter und Enkelin von Ärzten geboren, hatte aber mit der Medizin ebenso wie ihre Geschwister nichts am Hut – ihr Bruder ist Gitarrist, ihre Schwester Anna Zeichnerin. Ursprünglich wollte sie Bierbrauerin werden, weil ein Freund ihres Bruders bei Beck’s arbeitete und sie schon zu Schulzeiten zu Hause ihr eigenes Bier braute. Doch dann begriff sie, wie stark die Macht der Industrie in diesem Geschäft ist, und wandte sich mit Hilfe eines stadtbekannten Weinhändlers, ein Patient ihrer Mutter, den Trauben statt dem Hopfen zu. Sie studierte Weinbau in Geisenheim, ging dann nach Australien und Spanien, war bei verschiedenen Gütern im Rheingau angestellt, belegte nebenbei Kurse in Betriebswirtschaft an der EBS Business School in Oestrich-Winkel, schrieb dort als Abschlussarbeit einen Business-Plan für die Gründung eines eigenen Weinguts. Und als ihr letzter Arbeitgeber auf Druck eines Investors beschloss, Produktion und Profit zu maximieren, kam ihr das sehr zupass. Nun hatte sie keine andere Wahl mehr, als ihren eigenen Weg zu gehen, weil sie sehr genaue Vorstellungen davon hat, was für sie und den Wein am besten ist.

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