Das Foto von Christian Werner, das Michel Würthle in seiner „Paris Bar“ zeigt, erschien erstmals im März 2019 im F.A.Z. Magazin. Bild: Christian Werner
Nachruf auf Michel Würthle : Er hielt Hof in der „Paris Bar“
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Er war Künstler, Gastronom und ein Mann von Welt. Legendär ist seine „Paris Bar“ in Berlin. Nach dem Tod von Michel Würthle herrscht dort Leere, selbst wenn sie voller Menschen ist.
Gute zwei Wochen ist es her, nein, zwei schlechte Wochen, um ehrlich zu sein, seit Michel Würthle das Zeitliche gesegnet hat. Sein Tod hat Menschen hinterlassen, die sich ein Leben ohne ihn nicht vorstellen können. Gestandene Männer hatten Tränen in den Augen bei der Trauerfeier, am 23. März, in der „Paris Bar“, in Berlin. Die Frauen heulten drauf los. Schminke egal. Alles egal. Die Trauer war zu groß.
Ja, die „Paris Bar“. 1979 wurde sie gegründet, ein Lokal von vielen im damaligen West-Berlin, aber eines, das bald – und bis heute – unvergleichlich ist in seiner Einmaligkeit. Ein Gesamtkunstwerk des Mannes, der sie ins Leben gerufen hat: Michel Würthle. Ein Mann, der in Wien, in Paris, in Neapel, in Griechenland zu Hause war – und plötzlich, irgendwie gestrandet, auch in Berlin. Und diese Weltläufigkeit verkörperte er wie kein anderer.
Aber nein, stop, das soll ja kein klassischer Nachruf sein. Nachrufe waren in allen großen Feuilletons zu lesen. Auf den legendären Michel Würthle, der die „Paris Bar“ zur Künstler-Kneipe von Weltruf gemacht hat. Auf die wahre Identität des Michel Würthle, die er Zeit seines Lebens nur privat, in den eigenen vier Wänden, auslebte – er war nämlich selber ein phantastischer Künstler. Erst in den letzten Jahren wagte er sich mit seinen Arbeiten an die Öffentlichkeit und genoss die späte Anerkennung.
Aber zurück zu der Trauerfeier am 23. März. Da hatten sich die Freunde versammelt. In ihrem Stammlokal. Die „Paris Bar“ sah aus wie immer, alles unverändert, dieselben Bilder, die gewohnte Tischordnung, die vertrauten Kellner – nur einer war nicht mehr da: Michel. 45 Jahre lang hat Michel diesen Ort repräsentiert.
Er hat in diesem Lokal Hof gehalten, allabendlich, mal an diesem Tisch, mal an jenem. Er hat mitgefeiert, mitgetrunken, mitgeraucht, mitgelacht, mitgeschwiegen, mitgeseufzt, mitgelästert, mitgeträumt, mitgespielt. Und plötzlich? Eine große Leere. Die „Paris Bar“ war zum ersten Mal leer, obwohl sie voll war. Was nun? Michel hat das Leben geliebt, so wie kein anderer. Das Leben ist nun mal etwas, das irgendwie weitergehen muss. Also Prosit!