Pastinake, Höhlenkäse, Haselnuss – was nach einem ungleichen Trio klingt, sind die Zutaten für die Zusammenarbeit zwischen den beiden Spitzenköchinnen Ana Roš und Christina Bowerman. Und diese ist gleichzeitig die Krönung des ersten „NEU Dinners“, einer Dinnerreihe in Berlin, bei der internationale Köche auf Berliner Gastronomen treffen und in Zweierteams jeweils ganz neue Gerichte entstehen lassen. Das Event findet im Anomalie Art Club statt: Von außen ein grauer Betonbau in einem Gewerbegebiet mit graffitiverschmierten Wänden, offenbart sich an diesem Abend im Inneren ein schickes Restaurant, die Bänke mit dunkelgrünem Samt bezogen, an den Wänden Schwarz-Weiß-Fotografien.
Fans der Netflix-Serie „Chef’s Table“ kennen Ana Roš bereits seit der Folge über das Hiša Franko in Slowenien. Ihre Küche basiert auf den lokalen und saisonalen Zutaten des Soča-Tals. Obwohl sie ursprünglich Diplomatin werden wollte, zog es sie zurück in ihre Heimat. Dort bewirtschaftet sie bereits mehr als 15 Jahre lang als selbst gelernte Köchin das Restaurant. Ihr Mann ist Sommelier und arbeitet auch seit Jahren mit. Es brauchte viel Fleiß und Kreativität, dann kam der große Durchbruch: Im vergangenen Jahr wurde Ana Roš von den renommierten „The World’s 50 Best Restaurants“ zur besten Köchin der Welt gekürt.
„Wenn ich etwas schmecke, sehe ich die Aromen“
Wenn sie nun in der Küche steht, ein Glas Rotwein neben dem Schneidebrett, klingelt ihr Handy unentwegt. Meistens hat sie ein Ohr am Telefon und kocht einfach weiter. Zwischendurch müssen die Teller für das Dinner ausgewählt und die letzten Zutaten getestet werden. Was treibt sie an? „Es ist wirklich wichtig, sich einen guten Geist zu bewahren, indem man seine Kollegen trifft und Jam Sessions wie heute macht. Wir springen einfach ins Wasser und schwimmen. Was mich antreibt, ist das Adrenalin, das ist das Wichtigste.“
Und wie schafft sie es, immer wieder auf neue Ideen zu kommen? „Wenn ich etwas schmecke, sehe ich Aromen, die zusammenpassen.“ Für die 45-Jährige ist das ein Geschenk. Wenn sie dann noch viel Zeit in der freien Natur verbringt, etwa beim Laufen, kommen die Ideen für ihre Gerichte wie von allein. Sieht sie sich denn selbst als Vorbild für Frauen in der Gastronomie? „Wer seine Arbeit gut und besonders macht, ist immer ein Vorbild für seine Kollegen, die vielleicht einen kleinen Hinweis vermissen, um sich anzustrengen, besser zu arbeiten und zu verstehen, dass man immer erfolgreich sein kann. Selbst wenn man denkt, dass man sich gerade in einem tiefen Moment befindet. Auch Christina Bowerman ist ein starkes Vorbild.“
Die Italienerin, die 16 Jahre lang in den Vereinigten Staaten gelebt hat und in der Glass Hostaria in Rom kocht, ist eine der wenigen italienischen Köchinnen mit einem Michelin-Stern. Ihre Küche fußt auf der italienischen Tradition, verbunden mit Einflüssen aus aller Welt. „Ich nenne es nicht gerne Fusionsküche, sondern kontaminiert, weil ich zutiefst davon überzeugt bin, dass Essen Kultur ist. Deshalb habe ich mir jede Kultur geschnappt, wann immer ich reise.“ Erst mit 34 Jahren ist sie überhaupt zum Kochen gekommen. Zuvor war sie zehn Jahre lang als Grafikdesignerin tätig und davor sogar zwei Jahre praktizierende Rechtsanwältin. Wie hilft ihr das dabei, neue Gerichte zu kreieren? „Die Prinzipien sind die gleichen, ob Grafikdesign oder Kochen. Es geht um Balance, um das Gleichgewicht zwischen Formen und Farben.“
Roš und Bowerman sind zwei Frauen, die eher auf Umwegen zum Kochberuf gekommen sind, nun ihren ganz eigenen Weg gehen und damit erfolgreich sind. Kein Wunder, dass beide Köchinnen enge Freundinnen sind. „Wir bleiben in Kontakt, wir unterhalten und beraten uns. Wenn wir irgendwas besprechen wollen, rufen wir uns gegenseitig an.“
Die Berliner Dinnerreihe haben Arlene Stein, Gründerin des Terroir Food Symposiums, und Per Meurling vom Foodblog Berlin Food Stories zusammen mit Kate Lewin ins Leben gerufen. War es für die Gastgeber eine bewusste Entscheidung, die beiden Frauen als internationales Kochteam für das erste Dinner auszuwählen? Arlene Stein nickt. „Ich wollte starke Frauen.“ Per Meurling hatte schon länger versucht, Ana Roš nach Berlin zu holen. Als er dann in Rom auf Christina Bowerman traf und sich herausstellte, dass die beiden beste Freundinnen sind, war es entschieden. Arlene Stein nennt das einen wirklich glücklichen Zufall.
Was macht für sie die kulinarische Szene Berlins so spannend? „Es gibt eine so große Vielfalt und das ist es, was für mich eine großartige Essensmetropole ausmacht“, sagt Foodblogger Meurling. „Ich denke, dass die Berliner Foodszene noch richtig explodieren wird und dass die Welt beginnt, das ebenfalls zur Kenntnis zu nehmen“, so Arlene Stein. Jedes ihrer Dinners wird ein Aufeinandertreffen und ein Austausch verschiedener Kulturen sein. So steht der Abend unter dem Motto der Bernsteinstraße und führt über Österreich und Slowenien bis nach Italien: „Es geht wirklich um die Vernetzung der Nationalitäten von der Ostsee bis zum Mittelmeer, und das im Einklang mit dem, worum es bei einem gemeinsamen Abendessen geht. Die Idee ist also, dass wir nicht über nationale Grenzen reden, sondern über die Produkte und Zutaten, die Techniken und die Traditionen, die wir geteilt haben.“