Oden an die Freude : Das sind die großen Weine des Jahrgangs 2019
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Vorbereitung der Verkostung der Großen Gewächse in Wiesbaden Bild: Wonge Bergmann
Der Verband der Prädikatsweingüter startet am 1. September den Verkauf seiner „Großen Gewächse“. Die besten davon haben es echt in sich: Der Sommer 2019 war schwierig, hat aber Potential für große Weine.
Es hat sich als Rufname durchgesetzt, das Kürzel „GG“. Was im Französischen klangvoll als „Grand Cru“ bezeichnet und entsprechend teuer bezahlt wird, heißt hierzulande „Großes Gewächs“. Oder eben GG. Unter diesem Namen kommen jedes Jahr Anfang September jene trockenen Weine klassifizierter Einzellagen auf den Markt, die vom herausgebenden Verband der Prädikatsweingüter (VDP) als „Elite“ des deutschen Weins bezeichnet werden.
Preislich sind sie es auf jeden Fall: Die besten GGs, egal ob Riesling oder Spätburgunder, sind kaum noch unter 40 Euro pro Flasche zu haben, einige kosten sogar weitaus mehr. Selbst 100 Euro sind keine Schamgrenze mehr. Wer etwa nicht Stammkunde beim Weingut Keller in Flörsheim-Dalsheim ist, wird die feinsten Großen Gewächse des Hauses nur im grauen Markt finden und muss dann bereit sein, einige hundert oder sogar mehr als tausend Euro für 0,75 Liter Riesling aus Spitzenlagen des Wonnegaus zu bezahlen.
Große Weine zu besitzen und auch zu trinken (häufig jedoch viel zu früh) ist längst Teil des Lifestyles besserverdienender Hedonisten geworden. Wie in Bordeaux, wo das Interesse der Sammler fast ausschließlich auf die besten Grands Crus classés fokussiert, während ein guter Brot-und-Butter-Bordeaux kaum noch Beachtung, geschweige denn Respekt findet, so konzentriert sich auch hierzulande das Interesse auf die immer gleichen Namen, zu denen sich nur selten neue gesellen.
Die Winzerelite ist den Kollegen um Jahre enteilt
Dass mit den VDP-Bezeichnungen „Große“ oder „Erste Lage“ oder auch „Großes Gewächs“, zumal in Verbindung mit dem hohen Verkaufspreis der GGs, ein Qualitätsversprechen abgegeben wird, das einzuhalten ratsam erscheint, steht in einem sonderbaren Widerspruch zur Realität und inneren Verbandshygiene, in der persönliche Bande eine bedeutendere Rolle spielen als das Streben nach dem Bestmöglichen. So ist es eben in Vereinen. Wie die Proben der 2019er und 2018er GGs zeigen, ist die Spitze der selbsternannten Winzerelite dem großen Rest der Verbandskollegen jedenfalls um Jahre enteilt.
Die Empfehlungen der Experten
Unser Kolumnist hat ein paar andere Fachleute gebeten, ihre Favoriten mit ihm (und uns) zu teilen.
2019 Silvaner Rothlauf GG, Rudolf May, Franken
2019 Riesling Pettenthal GG, Kühling-Gillot, Rheinhessen
2018 Lemberger Lämmler GG, Schnaitmann, Württemberg
Caro Maurer MW, Bonn:
2018 Silvaner Kammer GG, Wirsching, Franken
2019 Riesling Felsenberg GG, Dönnhoff, Nahe
2019 Weißer Burgunder Mandelberg GG, Rebholz, Pfalz
Bernd Kreis, Weinhändler und ehem. Sommelier-Europameister, Stuttgart:
2018 Riesling Götzenberg GG, Schnaitmann, Württemberg
2019 Riesling Morstein GG Alte Reben, Keller, Rheinhessen
2018 Spätburgunder Hundsrück GG, R. Fürst, Franken
Und hier des Kolumnisten eigene Auswahl.
2019 Bockenau Felseneck Riesling GG, Schäfer-Fröhlich, Nahe
2019 Monzingen Frühlingsplätzchen Riesling GG, Schäfer-Fröhlich, Nahe
2019 Monzingen Halenberg Riesling GG, Emrich-Schönleber, Nahe
2019 Monzingen Halenberg Riesling GG, Schäfer-Fröhlich, Nahe
2017 Riesling Schlehdorn Unikat, Peter Jakob Kühn, Rheingau*
2018 Oestricher Doosberg Riesling GG, Peter Jakob Kühn, Rheingau
2018 Riesling Monte Vacano, Robert Weil*
2019 Nackenheim Rothenberg Riesling GG „Wurzelecht“, Kühling-Gillot, Rheinhessen
2019 Westhofen Brunnenhäuschen Riesling GG, Wittmann, Rheinhessen
2019 Dalsheim Hubacker Riesling GG, Keller
2019 Westhofen AbtsE Riesling GG, Keller
2019 Westhofen Morstein Riesling GG Alte Reben, Keller
2019 Riesling La Borne (Versteigerung), Wittmann, Rheinhessen*
2019 Riesling G-Max, Keller, Rheinhessen*
2019 Forster Pechstein Riesling GC, Bürklin-Wolf, Pfalz
2019 Forster Kirchenstück Riesling GC, Bürklin-Wolf, Pfalz
2019 Forster Kirchenstück Riesling GG, von Winning, Pfalz
2019 Forster Jesuitengarten Riesling GG, von Winning, Pfalz
2019 Forster Ungeheuer Riesling GC, Bürklin-Wolf, Pfalz
2019 Deidesheimer Langenmorgen Riesling GC, Bürklin-Wolf
2019 Birkweiler Kastanienbusch Riesling GG, Rebholz, Pfalz
Und die besten „Großen Gewächse“ (rot)
2018 Westhofen Morstein Spätburgunder GG Alte Reben „Felix“, Keller, Rheinhessen
2018 Bürgstadter Hundsrück Spätburgunder GG, R. Fürst, Franken
* Weine aus Großen Lagen, die nicht als GG vermarktet werden, aber mindestens deren Qualität besitzen.
In Wiesbaden, wo Anfang der Woche 477 GGs aus allen Anbaugebieten einem internationalen Fachpublikum präsentiert wurden, konnte man sich in drei Tagen einen ganz guten Überblick über die Klasse der letzten Jahrgänge und den Leistungsstand der VDP-Winzerelite verschaffen. Trotz Corona kamen 140 Händler, Importeure, Sommeliers und Pressevertreter, wenngleich wichtige Exportmärkte wie die Vereinigten Staaten, Kanada, Finnland oder auch asiatische Länder aufgrund der Reisebestimmungen nicht vertreten sein konnten.
Der unermüdliche Service – 30 junge Sommelièren und Sommeliers – servierte die in 38 großen Weinklimaschränken temperierten Weine in 6er-Flights. Drei Säle im Kurhaus und in den Kurhaus-Kolonnaden hatte der VDP dazu angemietet und mit 140 weißgedeckten Tischen versehen, damit ein jeder Verkoster sein schlürfendes Werk verrichten konnte.
Kein einfacher Jahrgang 2019
Die Qualität der Weine war durchwachsen und reichte von passabel bis zur absoluten Weltklasse. In der Tat war der mehrheitlich zur Begutachtung stehende 2019er-Jahrgang nicht einfach, während der heiße, trockene Sommer 2018 den Rotweinen – Spätburgunder und Lemberger – entgegenkam. Riesling aber reift spät und braucht einen sonnigen und trockenen Herbst. Der verabschiedete sich jedoch in der letzten Septemberwoche just zu jenem Zeitpunkt, als die meisten Winzer mit der Lese erst noch begannen.
Die Pfälzer Winzer der Mittelhaardt sind in der Regel als erste fertig. Sophie und Steffen Christmann etwa beendeten die Lese am ersten Regentag. In den kühleren Tälern von Mosel und Nahe beginnt man da allerdings erst mit der Vorlese. Der einsetzende Regen ließ vom Winzerherbst nur wenige trockene Tage übrig und führte zum nervenaufreibenden Ende eines Jahrgangs, den viele Winzer Mitte August schon fast abgeschrieben hatten. Im zu heißen Frühsommer erlitten viele Beeren Sonnenbrandschäden. Im Frühjahr bereits hatten hier und da Spätfröste den Ertrag reduziert, vereinzelte Hagelschauer dezimierten die Hoffnungen auf einen erneut guten Jahrgang ebenfalls. Die Trauben mussten zuletzt penibel ausgelesen werden, um die Qualität nicht zu gefährden.