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Restaurant „Cordo“ in Berlin : Ein herrliches Tohuwabohu

Die Kunst der klugen Zurückhaltung: Wagyu aus Ostfriesland mit Cremes von Sellerie und schwarzem Knoblauch und gepickelten Perlzwiebeln Bild: Restaurant Cordo

In seinem früheren Leben war das „Cordo“ in Berlin-Mitte einmal eine turbulente Weinbar. Heute ist es ein entspanntes Feinschmeckerrestaurant, in dem es der junge Koch Yannic Stockhausen allerdings noch immer krachen lässt. Die Kolumne Geschmackssache.

          3 Min.

          Inflationen sind in Deutschland üb­licherweise Schreckgespenster, diese aber ist ein Glücksgeschenk: Im Jahr des Mauerfalls gab es in Berlin sechs Michelin-Sterne, aus denen mit der hyperinflationären Steigerungsrate von 416,67 Prozent inzwischen 31 Sterne geworden sind – was einen ehrgeizigen Jungkoch wiederum vor die Frage stellt, wie er im kulinarischen Haifischbecken der Hauptstadt aus dem Kreise der Kollegen hervorstechen kann.

          Jakob Strobel y Serra
          Redakteur im Feuilleton, zuständig für das „Reiseblatt“.

          Sie trieb auch den einunddreißig Jahre alten Hamburger Yannic Stockhausen um, der 2019 die Küche des „Cordo“ im maximalgentrifizierten Scheunenviertel übernahm, schon im Jahr darauf einen Michelin-Stern bekam und gleich danach in den pandemischen Lockdown weggeschlossen wurde. Seine Antwort auf die Frage war eindeutig: mit Nachdenken. Stockhausen nutzte die Zwangspause, um sich darüber klar zu werden, dass er nicht mehr so kochen wollte wie bisher, sondern sich mit dem großen Ganzen beschäftigen musste, mit der Herkunft seiner Produkte und ihren ökologischen Bilanzen, mit dem Trugschluss der Unerschöpflichkeit unserer Ressourcen und seiner eigenen Verantwortung als Koch für die Zukunft des Planeten – was aber noch lange nicht heißt, dass im „Cordo“ wie in manchem anderen Berliner Sternelokal eine reine Kopfküche auf den Tisch kommt.

          Kein Kind von Traurigkeit: Yannic Stockhausen, der Chef des „Cordo“.
          Kein Kind von Traurigkeit: Yannic Stockhausen, der Chef des „Cordo“. : Bild: Cordo

          Yannic Stockhausen, der sich mit seinen Tätowierungen und dem Hipster-Vollbart auch äußerlich bestens in Berlins Mitte akklimatisiert hat, gibt gerne den Kraftprotz, haut munter auf die Aromenpauke und lässt am liebsten das große Ge­schmacksorchester aufspielen. Als dreifachen Küchengruß serviert er eine Tarte­lette vom Taschenkrebs mit Kaffee und Vanille, einen Profiterol vom Räucheraal mit Aal-Gelee und Wagyu auf Naan-Brot und rammt damit gleich die Pflöcke ein: Hier steht kein Kind von Traurigkeit am Herd, schließlich sitzen wir ja auch in der ehemaligen „Cordobar“, die bis zum freiwilligen Verzicht auf die letzte Namens­silbe ein legendär lustiges Weinlokal war.

          Auf zum Aromen-Wrestling!

          Gleich danach geht das Spektakel mit einer Lauchstange weiter, die im Ofen verkohlt und dann in ihrer Mitte mit dem Skalpell aufgeschnitten wird. In der Öffnung liegen unter Lauchcreme, Walnüssen und Austern-Mayonnaise wilde Austern aus der Ostsee, die sich mit einiger Mühe gegen die übermächtigen Raucharomen zu behaupten versuchen – genauso wie die Forelle, die nur unter dem Pass ganz sanft gar gezogen, dann aber von vorlauten Rauchmandeln und einer breitschultrigen Auberginen-Creme zum Aromen-Wrestling herausgefordert wird.

          Die Lust an der lauten Party ist das Privileg der Jugend, das Yannic Stockhausen noch immer für sich in Anspruch nehmen kann, obwohl er in seiner Karriere einiges erlebt hat. Er kochte schon als Zwölfjähriger für sich und seine Schwester, weil die Mutter wenig Zeit hatte, lernte in einem ambitionierten Hamburger Lokal alle Grundtechniken der guten Küche, bildete sich erst beim Zwei-Sterne-Koch Christoph Rüffer im „Haerlin“ an der Binnenalster, dann beim Drei-Sterne-Koch Sven Elverfeld im „Aqua“ in Wolfsburg weiter, machte sich zwischendurch bei einem Ducasse-Schüler in der Normandie mit dem innersten Wesen der Haute Cuisine vertraut und ging nebenbei ausgiebig auf kulinarische Studienweltreisen.

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