Biobauer im Interview : „Tomaten schmecken ohne Salz“
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Die Rote Zora Bild: StockFood
Die wenigen Tomatensorten aus dem Supermarkt schmecken alle gleich – nach nichts. Siegfried Fuchs baut das Gemüse deshalb selbst an. Im Interview erzählt er, wie eine Tomate schmecken muss und warum viele Sorten verdrängt wurden.
Ursprünglich hat Siegfried Fuchs, 53, Elektriker gelernt und Sozialarbeit studiert; das Gärtnern brachte er sich selbst bei. Vor zehn Jahren startete er, den sie Siggi nennen, die erste „Solidarische Landwirtschaft“, Solawi, in Bayern, bei der Verbraucher lokal mit Betrieben kooperieren; inzwischen versorgt Fuchs’ Solawi von Höhenkirchen bei München aus jede Woche rund 150 Menschen mit ökologisch angebautem Gemüse. Seine Spezialität sind alte Tomatensorten. Er trägt eine grüne Latzhose, an seinen Stiefeln klebt Erde, und er spricht ein warmes Bayerisch.
Herr Fuchs, wann haben Sie zuletzt Tomaten gekauft?
Ich kaufe keine Tomaten. Wenn im Wirtshaus ein Stückchen im Salat ist, esse ich das schon, ansonsten aber nur meine eigenen, wenn ich im Sommer welche habe. Im Winter esse ich auch keine Zucchini. Ich kaufe auch keine Tomaten in der Dose oder im Glas, die meisten kommen heute aus China – auch wenn „Made in Italy“ auf dem Etikett steht.
Im Supermarkt gibt es meistens vier, fünf Sorten, die alle gleich, nämlich nach nichts, schmecken.
Darum kaufe ich da generell kein Gemüse. Meine Mutter hatte früher einen Hausgarten, ich war es gewohnt, dass wir immer unser eigenes, frisches Gemüse hatten. Als ich dann nach München gezogen bin und im Supermarkt eingekauft habe, hat alles fad geschmeckt. Ich erinnere mich noch an mein erstes geschmackliches Erlebnis, da war ich sechs Jahre alt. Meine Großmutter hat im Holzofen einen Schweinebraten gemacht, und ich habe ein Stück Brot in die Soße getunkt. Jeder Schweinebraten wird seitdem daran gemessen, natürlich kommt da keiner ran. Beim Gemüse war es auch so. Ich wusste, wenn ich das so will, wie ich es gewohnt bin, muss ich selbst welches anbauen.
Besonders groß ist Ihr Ehrgeiz bei Tomaten. Wie viele Sorten bauen Sie an?
Wir bauen jedes Jahr um die 50 Sorten an, von manchen nur zwei Pflanzen. Man muss alles beschriften, damit nichts durcheinanderkommt, logistisch ist das ein ziemlicher Aufwand. Vom Geschmack her würde ich nur zwölf Sorten anbauen, die anderen pflanzen wir, um die Vielfalt zu erhalten und um neue Sorten auszuprobieren. Der Kunde ist schon mit zehn Sorten überfordert.
Wie viele gibt es insgesamt?
Es gibt nicht die eine richtige Zahl. Auf der Website „Tomaten-Atlas“ sind um die 6800 Sorten dokumentiert, manche sagen, es sind 15.000.
Warum gibt es überhaupt so viele Tomatensorten?
Es gibt auch mehr als 2500 Kartoffelsorten. Die Früchte haben sich immer an die Region angepasst. Und keine Frucht wird so viel gegessen, es gibt immer Freaks, die neue Sorten züchten.
Warum spiegelt sich diese Vielfalt nicht im Supermarkt wider?
Tomaten im Supermarkt müssen bestimmte Kriterien erfüllen. Vor allem müssen sie transport- und lagerfähig sein. Tomaten sind heute teilweise bis zu drei Monate haltbar, unsere sollte man innerhalb einer Woche verzehren. Wir ernten sonnenreif, die Tomaten aus Spanien werden indes grün geerntet und reifen beim Transport nach, da ist der Geschmack längst nicht so gut. Beim Transport und im Lager müssen die Früchte außerdem fest bleiben und immer makellos und glatt aussehen. Die Optik ist entscheidend. Das sind schon vier Merkmale, und beim Züchten wird es immer schwieriger, noch ein weiteres Merkmal dazu zu züchten.
Und da leidet dann der Geschmack?
Für den Verkauf ist der Geschmack erst einmal nicht wichtig. Wir können im Supermarkt ja nicht reinbeißen, bevor wir die Früchte kaufen.
Aber wenn ich einmal Tomaten gekauft habe, die nach nichts schmecken, würde ich sie beim nächsten Mal nicht mehr kaufen.
Dann kaufen Sie andere, und die schmecken auch nach nichts.
Welche ist Ihre Lieblings-Tomatensorte?
Ich habe sogar vier. Die „Green Zebra“, die lemonartig schmeckt, und die „Valencia“, eine orangefarbene süße Salattomate; orangefarbene sind fast immer süß. Dann noch die „Paul Robson“, eine bräunliche Salattomate mit einem grünen Kragen, würzig und schnittfest. Und die „Marie Castell“, eine rumänische Fleischtomate, die schmeckt, wie eine Tomate einfach schmecken muss.
Wie muss denn eine Tomate schmecken?
Schwer zu beschreiben, aber die kleinen süß. Die anderen je nach Eigenschaft süß, würzig, nicht zu viel Säure, so, dass man kein Salz dazu braucht.
Sie bauen viele alte Tomatensorten an. Woher kommen diese Sorten ursprünglich?