Barista im Porträt : Feedback im Sekundentakt
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Bekommt Heiratsanträge und Jobangebote per Mail: Barista Dritan Alsela in seinem Düsseldorfer Cafe Bild: Tim Kummert
Mailand, New York, Malaysia: Der Barista Dritan Alsela ist weltweit im Einsatz. Wir haben ihn in seinem Café in Düsseldorf getroffen – bei seinem Lieblingsgetränk.
Wer im „Bazzar Caffè“ seinen Kaffee vom Chef persönlich bekommt, hat Glück. Denn der Chef ist oft nur an wenigen Tagen in der Woche da. Ansonsten fliegt er nach Prag, New York oder Korea: Der Chef hier ist Dritan Alsela, einer der wohl bekanntesten Baristas in Deutschland. An diesem Sonntag sitzt er an einem Tisch in seinem Café, fast schon versteckt in einer Ecke. Seit heute Vormittag sind alle anderen Tische voll. Vor ihm steht sein MacBook, er schaut ein Fußballspiel: Fortuna Düsseldorf gegen Freiburg. Draußen regnet es in Strömen.
Alsela nimmt den Kopfhörer ab und bestellt sich erst mal einen doppelten Espresso. Einen „Doppio“, wie er sagt. Es ist sein fünfter heute. Dann sagt er: „An Tagen wie diesen ist es hier wunderschön: Viele Stammgäste kommen her, man sitzt gemütlich zusammen und hat einfach eine gute Zeit.“ Er schaut zufrieden. Der 41-jährige Alsela ist Barista aus Leidenschaft, sein Job ist die Zubereitung von Kaffee. Und den macht er heute so gut, dass Menschen ihn auf der ganzen Welt trinken wollen. Erst letzte Woche war er in Italien, für die nächste Zeit hat er Anfragen aus Bosnien, London, Malaysia, Neu-Delhi. Am meisten liebt er aber die Arbeit hier, in der Schlüterstraße 3a in Düsseldorf, seinem „Baby“, seinem Café. So oft wie möglich steht er hier an der Maschine, sucht das Gespräch mit seinen Kunden. Ein Lebenskünstler, der vom Kaffee leben kann, ist er das? „Ja, das ist gut! Genau das bin ich!“
„Ich will meinen Kaffee von ihm haben.“
Geboren wurde Alsela in Albanien, wegen seiner blonden Haare und seiner blauen Augen nannte ihn schon seine Mutter nur „Der Deutsche“. Anfang der Neunziger kam er mit 20 Jahren nach Deutschland und studierte zwei Jahre Elektrotechnik, bevor er das Studium abbrach. Theorie lernen, das war ihm zuwider. Obwohl sein Vater bis heute sagt: „Es ist nie zu spät, ein Diplom zu haben.“ Er hätte seinen Sohn lieber in einer universitären Karriere gesehen. Davon will Alsela bis heute nichts wissen.
Dritan Alsela : Vom Tellerwäscher zum Baristameister
1994 nahm Alsela dann seine erste Stelle in einem Restaurant an. Als Tellerwäscher. Er arbeitete sich hoch, wurde erst Küchenhilfe, dann Pizzabäcker und schließlich Koch. Ab 1998 ließ ihn sein Chef zunehmend auch draußen bei den Gästen den Kaffee zubereiten. „Und ab da, als ich das erste Mal für Gäste Kaffee gemacht habe, da wusste ich: Das ist es, was ich sein will: Barista“, sagt Alsela, und seine Augen strahlen vor Begeisterung. Seine Partnerin, Mariette Zantow, die mit am Tisch sitzt, unterbricht ihn: „Nur das Wort ,Barista‘ kannte da noch niemand.“
Er nahm sich vor, in der Gastronomie zu bleiben. Ab 2002 arbeitete er hauptberuflich an der Kaffeemaschine, sein Traum wurde wahr. „Natürlich ist der Traum eines Baristas sein eigenes Café. Aber zunächst wurde ich hier (er deutet auf den Fußboden) erst mal Manager.“ Trotz seiner Verantwortung bereitete er weiter viel Kaffee zu. Er wollte immer besser werden. Viel lernte Alsela durch Ausprobieren in dieser Zeit. Einen Espresso machte er für einen Mann anders als für eine Frau. Zubereitung nach Augenmaß, sein Auge täuschte ihn selten. Wenn jemand älter und weltgewandt wirkte, machte er einen stärkeren Kaffee, für jüngere Menschen ließ er die Bohnen länger mahlen und änderte den Geschmack entsprechend. Die Kunden gaben ihm recht. Immer mehr Stammgäste kamen ins Café, deuteten auf Alsela an der Maschine und sagten der Bedienung: „Ich will meinen Kaffee von ihm haben.“
Treuherzige Teddybären aus Milch
2008 fragte ihn eine Dame aus Düsseldorf, ob er den Kaffee auf einer Abendgala zubereiten wolle. Er sagte zu, die Gala wurde für ihn ein voller Erfolg. Die Gäste ließen den Champagner stehen und standen bei Alsela Schlange. Es folgten Einladungen zu verschiedenen Unesco-Galas. 2009 übernahm er dann das „Bazzar Caffè“ ganz, heute beschäftigt er neun festangestellte Mitarbeiter und neun Aushilfen, inklusive seines eigenen Bruders. In seinem Café sind die Wände aus Glas, innen stehen hohe Metallbögen.
Wann kam für ihn persönlich denn der Durchbruch? „Ah, 1:0! Mist! Jetzt habe ich das Tor nicht gesehen – na ja, egal“, flachst der Mann mit den grauen Haaren. Er klappt den Laptop zu, seine Freundin grinst und murmelt: „Fortuna und Kaffee …“ Bis vor einem halben Jahr hat sie bei L’Oréal gearbeitet, war auf dem Weg zur Managementebene. Doch die Anfragen für Alsela konnte er allein nicht mehr koordinieren, Zantow gab ihren gutdotieren und sicheren Job auf und übernahm das Management ihres Freundes. Alsela findet mit Mühe zurück zur Frage, er wischt mit der Hand durch die Luft: „Ach so, der Durchbruch. Habe ich nie so empfunden, ich habe einfach versucht, meinen Job möglichst gut zu machen.“
Dazu gehört wohl auch die „Latte Art“, wie es in seiner Branche heißt, die Alsela auf den Kaffees kredenzt: Motive, die mit dem Milchschaum auf dem Kaffee gebildet werden. Seine Liebe zum Getränk kommt auch hierdurch zum Ausdruck. Gelegentlich formt er Teddybären aus Milch, die die Gäste dann von der Oberfläche des Kaffees aus treuherzig anlächeln.
Heiratsanträge und Jobangebote
Alsela erklärt: „Die Kaffeekultur in Deutschland basiert vor allem auf dem Filterkaffee und ein wenig auf dem Café Crema. Für die Italiener dagegen ist ein Espresso die Grundlage jedes Kaffees. Das habe ich mir als Basis für meine Zubereitung von Kaffee auch angeeignet.“ Jetzt ist Alsela kaum zu bremsen: Er erzählt von der Röstung, der Frische, der Herkunft, der Mahlung, der Menge der Bohnen. Das seien nur einige wenige Parameter, mit denen sich die italienische Kaffeekultur beschäftige.
Stammgäste kommen an den Tisch, um den Chef zu begrüßen: Konstantin und seine Partnerin. Alsela springt auf, umarmt beide. „Hallo, hallo. Wie gehts?“ Er wirkt glücklich. Als das Pärchen wieder verschwunden ist, nimmt Alsela plötzlich sein iPhone in die Hand. Er schaut seine Freundin an. „Heute ist doch Valentinstag, oder?“ Er öffnet Facebook, aktiviert die Frontkamera und beginnt einen Lifestream auf seiner Facebook-Seite. Über eine Million Menschen haben die Seite geliked. Er sagt in etwas holprigem Englisch: „Hello Guys, here is Dritan! I wish you a happy Valentines’ Day. How was your day?“ Alesela steht auf, geht rüber zur Kaffeemaschine. Er drückt seiner Freundin das Smartphone in die Hand und beginnt mit der Zubereitung des Kaffees. Bei ihm sitzt jeder Handgriff: Bohnen rösten, Bohnen mahlen, Bohnen ins Sieb. Tausende Menschen schauen live zu, wie der Kaffee langsam in die Tasse rinnt. Tropf, tropf, tropf.
Die Kommentare explodieren in Echtzeit unter dem Video. Erst sind es Duzende, dann Hunderte, schließlich Tausende. Insgesamt werden das Video mehr als 80.000 Menschen sehen. Ein normaler Wert für den Barista. Er bespielt regelmäßig Instagram, Facebook, Youtube. Auf Facebook lädt er manchmal Listen hoch, in die er schreibt, welche Cafés er in einer Stadt besucht. Youtube macht er seit 2011. In diesem Jahr kam das erste, 2012 das zweite, 2013 das dritte Video. Er postet regelmäßig Videos und Fotos von seiner Latte-Art, oft macht die Aufnahmen Zantow. Jeden Tag erreichen ihn um die 400 Nachrichten. Er bekommt etliche Mails von Menschen, die mit ihm zusammenarbeiten möchten. Viele große Firmen wollen ihn für Kooperationen. Auch Heiratsanträge sind dabei.
Workshops in Amerika
Auch E-Mails mag Alsela nicht, er ist kein Fan der Vermarktung. Schon gar nicht der eigenen. Zantow liest die Nachrichten alle. Einige beantwortet sie auch. „Die Heiratsanträge klicke ich weg“, sagt sie schmunzelnd. „Bis vor einigen Monaten hat er seine Mails praktisch gar nicht gelesen – hätte man um ein Interview angefragt, es wäre keine Antwort gekommen. Sicher nicht!“, sagt sie, und dann muss sie gemeinsam mit ihrem Freund lachen. Alsela ist einfach viel zu oft unterwegs, er wird für diverse Events angefragt.
Curt Simon Harlinghausen, Geschäftsführer der digitalen Mediaagentur Akom 360, lud Alsela einmal zu einem Treffen von Bloggern ein und war platt: „Er hat im Rahmen der Workshops gezeigt, wie man die beste Kaffeezubereitung selbst machen kann, wie Latte Art funktioniert, wie man mit Kaffee und Milch umgehen sollte und wie jeder zu einem kleinen Barista werden kann. Alle waren begeistert!“ Solche Arten von Events besucht Alsela heute kaum noch. Ihm fehlt schlicht die Zeit.
Allein im Jahr 2015 war er in Chicago, Malaysia, New York, Mailand und anderen Städten. Er gibt dort Workshops, sitzt in Jurys, berät Café-Besitzer. „Coffee makes me travel“, ist der Hashtag, den er unter Fotos setzt, wenn er unterwegs ist. Wenn er gebucht wird, wird er empfangen wie ein Star. So wie kürzlich in China, wo Dutzende Fans bei seiner Ankunft warteten. Er musste T-Shirts, Handtaschen und auch die blanke Haut mancher Fans signieren. Die Szene braucht Vorbilder. Alsela ist eines davon. Man lerne so viel über ein Land, wenn man sich einfach nur in ein Café dort setze, sagt er. Der Tourismusminister von Malaysia wollte sich persönlich mit ihm treffen. Auf Bali kam im letzten Jahr ein Mann zu ihm, der ihn unbedingt kennenlernen wollte. Alsela hatte wenig Zeit, doch der Fan ließ nicht locker, bis er sein Idol sprechen durfte. Dann erklärte er ihm, dass er seinen Sohn nach dem Barista benannt habe: Dritan. Alsela entgegnete zunächst: „Selbst schuld!“ und lachte. Der Mann erzählte ihm dann, dass der Barista sein Leben verändert habe: Vorher habe er nicht gewusst, was er beruflich machen solle, nach dem Anschauen von Alselas Videos auf Facebook sei er selbst Barista geworden. Heute habe er sein eigenes Café. Dritan sagt: „Und das ist es, was mich wirklich beeindruckt. Geld und Ruhm kommen und gehen, aber Menschen wirklich zu verändern, das ist es, was mich auch heute noch echt bewegt.“
Kostenlose Weiterbildung für Jugendliche
2013 kamen drei Abgesandte eines großen Kaffeeherstellers aus Deutschland nach Düsseldorf zu ihm ins Café. Sie verhielten sich zunächst unauffällig und beobachteten Alsela ein wenig, kamen mit ihm ins Plaudern. Ob er nicht Lust habe, für den Hersteller das Gesicht einer Kampagne zu werden. „Nein“, habe er entgegnet. So erzählt er es heute. Einer der Männer rieb Zeigefinger und Daumen miteinander. Man werde sich schon einig werden. Alsela sah die Geste, machte die Tür auf und schmiss die Agenturleute raus: „Ich bin an diesem ganzen Kommerz nicht interessiert. Nicht im Ansatz!“ Alesla sagt mit Blick auf sein Café: „Es gibt ein Sprichwort im Deutschen, das sich kaum ins Albanische übersetzen lässt. Es ist mein Lieblingssprichwort: Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. Das hier, mein Café, das ist mein Spatz. Und der reicht mir.“
Dann steht Alsela auf, geht aus der Tür, über die Straße. Es regnet immer noch. Nur ein paar Schritte weiter schließt er eine Glastür auf, und mit einem Schlag riecht es stark nach Kaffeebohnen: Das hier ist seine vor zwei Jahren gegründete Barista-Schule. Neben der Tür stehen mehrere Kaffeesäcke aus aller Welt. Noch sind die Bohnen grün, Alsela röstet sie hier selbst. Diverse chromglänzende Kaffeemaschinen stehen an der Wand. Auf den Tassen und Maschinen steht in schwungvollen Lettern sein Name. Dafür hat er schon diverse Kaufangebote bekommen, er hat sie alle abgelehnt. In der Schule gibt er Kurse, er lehrt, wie guter Kaffee zubereitet wird. Manchmal bildet er Jugendliche auch kostenlos weiter – wenn klar ist, dass sie sonst keine Chance auf einen Beruf haben.
Ein großer Junge für die Ewigkeit
Alsela hat hier etwas vor, jetzt muss alles ganz schnell gehen: Er will noch kurz ein Herz aus Kaffeetassen für seinen Instagram-Account posten. Weil doch Valentinstag ist. Wenn er sich jedoch zu viel Zeit mit den Kaffees lässt, zerfällt der Milchschaum, die Latte Art. Aber er lässt sich nicht zu viel Zeit: Alsela macht 38 Kaffees in einer Viertelstunde, sein Bruder unterstützt ihn ein wenig. „Und auch hier: Die Grundlage jedes Kaffees bei mir ist ein Espresso – wie dann mit der Milch oder weiterem Kaffee vorgegangen wird, ist individuell.“
Die Kaffees sind fertig, er postet das Foto, im Sekundentakt gehen die Kommentare aus aller Welt ein. Alsela atmet durch und lehnt sich zurück. Er legt das Smartphone aus der Hand. Mittlerweile ist der Abend über Düsseldorf hereingebrochen, drüben im Café werden erste leere Plätze sichtbar.Als er nicht dabei ist, sagt seine Freundin dann noch: „Dritan macht Dinge aus Leidenschaft. Wenn er es mal doch nicht aus Leidenschaft machen kann, dann lässt er es lieber gleich sein. Obwohl er ja schon 41 ist: Er ist irgendwie immer noch ein großer Junge. Und wahrscheinlich wird er es immer bleiben.“