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Begehrte Edelknolle : An deutschen Höfen herrschte Trüffelfieber

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Lieferung von Trüffeln nach Den Haag, 1794 Bild: Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden

Haben piemontesische Trüffelhunde die Wälder deutscher Fürstenhöfe durchsucht? Unser Autor hat die Kulturgeschichte der Trüffel erstmals quellenkritisch erforscht – und siehe da: An mehreren Höfen muss ein veritables Trüffelfieber geherrscht haben.

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          Es war eine Meldung aus dem Herbst 1719, die gleich den Forschungshunger weckte: Piemontesische Trüffelhundegesandtschaften hatten die Waldungen mehrerer deutscher Fürstenhöfe auf Trüffelvorkommen durchsucht. Und tatsächlich zeigt eine Recherche in Primärquellen: In Anbetracht des Aufwands, der für diese Vergnügungen betrieben wurde, muss an mehreren deutschen Höfen ein veritables Trüffelfieber geherrscht haben. Ob nun der sagenumwobene August der Starke, oder Karl von Hessen-Kassel oder auch die Fürsten zu Schaumburg-Lippe – in diesem kulinarischen Goldrausch mischten die ganz großen und die kleineren Höfe gleichermaßen mit. Anhand von Material aus hessischen Staatsarchiven lassen sich einige Erscheinungsbilder dieses Trüffelfiebers besonders gut illustrieren.

          Es war zwar kein Hof aus Hessen, an dem die deutsche Trüffelbegeisterung ihren Anfang nahm – das ist eine andere Geschichte. Verschmäht wurden Trüffeln an hessischen Höfen aber keineswegs: Die bisher älteste durch eine Primärquelle belegte Trüffelbestellung eines hessischen Fürsten geht auf den April 1709 zurück, lief über den Handelsplatz Frankfurt und wurde schließlich am Nassau-Dillenburgischen Hof aufgetischt. Es handelte sich laut Rechnung vom 25. April 1709 immerhin um eine Bestellung von 6 Pfund weiße Trüffeln, wofür 18 Gulden verlangt wurden – zum Vergleich: Für einen Gulden musste um 1750 ein Meister zwei, ein Geselle etwa zweieinhalb und ein Tagelöhner drei Tage von jeweils dreizehneinhalb Arbeitsstunden leisten.

          Rengenier C. Rittersma befasst sich als Historiker mit der Kulturgeschichte der Trüffel in Europa. Seine Trüffelsuchlizenz erwarb er 2003.
          Rengenier C. Rittersma befasst sich als Historiker mit der Kulturgeschichte der Trüffel in Europa. Seine Trüffelsuchlizenz erwarb er 2003. : Bild: privat

          Diese Trüffeln wurden höchstwahrscheinlich über eines der norditalienischen Handelshäuser, die in Frankfurt situiert waren, bestellt. Diese Handelshäuser gehörten Familien wie den Guaitas und Brentanos, deren Nachfahren schnell in die Frankfurter Oberschicht aufstiegen und später sogar einen Oberbürgermeister stellten. Sie kamen aus dem heutigen Grenzgebiet zwischen dem Piemont, der Lombardei und dem Tessin. Da sie ursprünglich vor allem Südfrüchte verkauften, wurden sie als „Pomeranzengängler“ oder „Citronenkrämer“ bekannt. Nach und nach passten sie ihr Sortiment an der Nachfrage an, und so stößt man in einer Warendeklaration der Firma Brentano aus 1692 auf 65 libbre di terra tuffuli – circa 30 Kilo. Der Lagerraum muss aber geduftet haben!

          Mitsamt „herrschaftlichem Trüffelhund“

          Einen Höhepunkt erreichte die Trüffelbegeisterung am 15. Mai 1721. Die Gemüter am Hanauer Hof müssen erregt gewesen sein, als Johann Reinhard III. von Hanau Antoni Butelli von Turin „(..) zu unserem Trifle Jäger (..) in gnaden angenommen hat.“ Ein Jahr lang sollte er „Trifles suchen, solche treulich zu unserer Küchenschreiberey lieffern (..) und dabeneben einen Jungen“ instruieren. Die Einstellung von „Trifle Jäger“ Butelli mag ansteckend gewirkt haben, denn noch keine fünfzehn Jahre später frönten offenbar auch niedriger gestellte Freiherren dieser Leidenschaft: Im August 1735 ließ nämlich der Baron von Ingelheim über eine Zwischenperson beim Grafen von Hanau vorfühlen und bot ihm seine Hilfe an.

          Erwerb von Waren auf der Frankfurter Ostermesse, darunter Trüffeln, für den Fürsten von Nassau-Dillenburg, 1713
          Erwerb von Waren auf der Frankfurter Ostermesse, darunter Trüffeln, für den Fürsten von Nassau-Dillenburg, 1713 : Bild: Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden

          Über den Hofklatsch musste dem Baron zu Ohren gekommen sein, dass der Graf von Hanau keinen Trüffeljäger mehr zur Verfügung hatte und die Trüffeln nun im Boden zu vergammeln drohten. Also warf sich der Kollege aus Ingelheim als Kümmerer auf, und bot ihm seinen eigenen Trüffeljäger „mit zwei Hundt jedoch ohne Flinte und Gewehr“ an. Ob son Excellence sich für ihn verwenden und ihm eine Suchgenehmigung besorgen könne? Seine Exzellenz stimmte freilich zu - und zwar innerhalb von drei Tagen! Wer will da dem Hofadel noch jeglichen Sinn fürs Praktische absprechen? Noch vor der Eröffnung der Erntesaison wurde hier umstandslos umdisponiert, um zu verhindern, dass die Edelknollen vergammeln würden.

          Für solche ansteckenden Begeisterungsketten rund um Trüffeln ließen sich noch etliche Beispiele heranführen. Für eine gehen wir zurück nach Dillenburg. Als im Herbst 1781 Erinnerungen an die gute alte Zeit, in der auch der Nassau-Dillenburgische Hof seinen eigenen Trüffeljäger mitsamt „herrschaftlichem Trüffelhund“ beschäftigte, hochkamen, flackerte das Trüffelfieber prompt wieder auf. Jagdjunker von Witzleben beschloss proaktiv voranzugehen und eröffnete selbst die Suche nach einem neuen Hund. Er ließ dabei all seine Kontakte spielen: „In dieser Absicht habe ich mich sowohl auf meiner Harzreise als auch sonst durch Privat-Correspondenz nach Trüffelhunden erkundiget“. So habe er von einem Karlsruher Kollegen erfahren, dass dort ein Hund 33 Gulden kosten würde. Ein Schnäppchen – „solange der Hund gut zu gebrauchen ist“ – wurden doch an anderen Orten 100 und mehr verlangt. Vergeblich: Von Witzleben wurde zurückgepfiffen.

          Die Begeisterung aber ließ sich nur vorübergehend unterdrücken. Zwölf Jahre später wurden wieder Rufe nach einem hauseigenen Trüffelhund laut. Diesmal half ein benachbartes Fürstentum aus: Amtsjäger Ludwig Mohr begab sich auf den Weg nach (Bad) Wildungen und brachte für fünf Louisdor – das entspricht etwa 50 Gulden - einen Hund mit zur Probe. Nachdem der Probehund die Edelknollen einer nach der anderen ausbuddelte, witterte die Dillenburger Kanzlei Gold und fasst schon den nächsten Plan - nämlich die Trüffeln an die Hofhaltung des Fürsten, der als Erbstatthalter der Niederlande im Haag regierte, zu liefern.

          Der Autor befasst sich als Historiker mit der Kulturgeschichte der Trüffel in Europa. Er hat am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz promoviert und forschte für diesen Text in hessischen Staatsarchiven in Wiesbaden, Marburg, Darmstadt sowie im Frankfurter Stadtarchiv.

          Das Hessische Hauptstadtarchiv Wiesbaden stellte freundlicherweise zwei Archivalien zur Verfügung.

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