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Zukunftshaus B10 : Experimentalkapsel für das Wohnen von morgen

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Immobiles mit Mobilem verbinden: B10 will zeigen, wie das gehen kann Bild: Zooey Braun

Das Haus B10 in Stuttgart ist ein Fertighaus, das es in sich hat: Der Bau soll zeigen, ob ein Hightech-Wohnkonzept einen Beitrag zur Energiewende leisten kann. Der Haken: Das Haus erfordert den gläsernen Bewohner.

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          „Wohnen ist heute mehr denn je eingestellt auf den Zusammenhang mit Licht, Sonne, Luft. Das Wohnhaus erhält daher große Fenster, dünne Pfeiler, wärmehaltende Wände. Das Wohnzimmer meist direkten Zugang nach dem Freien, um einen unmittelbaren Zusammenhang, um ein Sichöffnen nach außen zu erreichen, im Gegensatz zu dem Sichabschließen gegen die Außenwelt des alten und heutigen Wohnbegriffen ungenügenden Hauses.“

          Was fast wie die Teilbeschreibung des jüngst präsentierten Hauses „B10“ in Stuttgart klingt, ist tatsächlich ein nahezu 90 Jahre altes Zitat. Doch aus adäquater Quelle: Der Architekt Richard Döcker charakterisierte damals mit knappen Worten das Haus in der berühmten Weißenhofsiedlung in Stuttgart, das er 1927 auf dem Grundstück Bruckmannweg 10 bauen ließ - auf dem jetzt das nach der Straßenanschrift benannte B10 errichtet wurde, ein Forschungsprojekt.

          Das B10 will sich als nach vorn gerichtet verstehen

          Der Urbau fiel im Zweiten Weltkrieg einem Bombenangriff zum Opfer, und der schmale Streifen inmitten der umliegenden architektonischen Meisterwerke war seitdem unbebaut - bis im Frühjahr 2014 ein Kran innerhalb eines Tages das vorgefertigte B10 vom Tieflader lupfte und auf dem historischen Grund niederließ. Die Weißenhofsiedlung war in den 1920er Jahren ein berühmtes Testfeld fürs Wohnen der Zukunft, gestaltet von siebzehn namhaften Architekten, unter anderem Le Corbusier, Walter Gropius und Mies van der Rohe. Viele der dort verwirklichten Ideen wurden seitdem auf der ganzen Welt immer wieder aufgegriffen. Ganz in dieser Tradition steht das B10 - es will sich wie die historischen Vorbilder als nach vorn gerichtet verstehen.

          Denn es soll nichts weniger als Erkenntnisse bringen, wie ein modernes Wohnkonzept inklusive der notwendigen Technik seinen Beitrag zur Energiewende leisten kann - und wie die Nutzer im Wortsinn damit leben. „Das Haus erzeugt doppelt so viel Energie, wie seine Bewohner benötigen“, sagt Johannes Schwörer, Inhaber des gleichnamigen Fertighausherstellers mit Sitz in Hohenstein, der das B10 fertigte. „Somit ist es von Kraftwerken unabhängig und stellt seinen Überschuss sogar für andere zur Verfügung.“

          Klappe hoch: Was eben noch Teil der Terrasse war, wird gleich Sichtschutz sein und das Fenster bedecken. Bilderstrecke
          Klappe hoch: Was eben noch Teil der Terrasse war, wird gleich Sichtschutz sein und das Fenster bedecken. :

          Eine ganze Reihe Fragen an das Zukunftshaus

          Damit liefert das B10 bereits eine Antwort – doch weil es der Gegenwart kräftig vorauseilt, zugleich einen ganzen Strauß von Fragen, die alle Projektbeteiligten brennend interessieren: Wie kommt das Konzept an? Gibt es schon heute genügend ernsthafte Interessenten für ein solches „Energieplus“-Haus? Und was könnte es kosten? Wie reagieren die Bewohner auf die eingebaute Technik? Bewährt sich die Steuerung für die Energieprozesse? Wie integrieren die Bewohner das zugehörige Elektroauto und die Elektrofahrräder in ihren Alltag?

          Die Antworten werden in den kommenden Jahren hoffentlich zahlreich fließen. Denn das B10 mit einer Grundfläche von 80 Quadratmetern wird von 2015 an tatsächlich genutzt werden, zunächst als Büro, danach als Wohnimmobilie, und Kollege Computer wird im Sinne von Wissenschaft und Wirtschaft genau überwachen, wie Konzept und Technik ankommen. Es ist also gewissermaßen eine Experimentalkapsel, die in drei Jahren komplett wieder abgebaut werden wird. Selbst das ist Teil der konsequent auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Idee: Alle im B10 verwendeten Materialien lassen sich sortenrein trennen und wiederverwerten.

          Bauherr ist das Unternehmen E-Lab Projekt

          Bauherr ist das Unternehmen E-Lab Projekt, eine Tochtergesellschaft des Stuttgart Institute of Sustainability. Zu den weiteren Projektbeteiligten gehören neben Schwörer-Haus unter anderem das Stuttgarter Architekturbüro Werner Sobek Design für die Planung und Koordination, das Unternehmen Alpha-Eos für die Gebäudeautomation, Daimler für die Elektrofahrzeuge und das Institut für Leichtbau, Entwerfen und Konstruieren (ILEK) der Universität Stuttgart für die Überwachung und Auswertung.

          „Ein Hauptfokus lag darauf, mit dem Konzept die Aspekte Immobilie und Mobilität perfekt miteinander zu verbinden“, erläutert Christian Bergmann von Werner Sobek Design. „Und zugleich wollen wir ein Wohnkonzept der nächsten Generation in der Praxis untersuchen.“

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