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Wohnen in der Pfalz : Der Boulevard des Paradieses

Fachwerk, Schoppen und Weinreben: Die Pfälzer kennen das Rezept für ein glückliches Leben. Bild: Frank Röth

Lange als provinziell belächelt, heute immer beliebter: Die Weinstraße boomt – und zieht Menschen aus allen Alters- und Gesellschaftsschichten an. Das hat auch mit Authentizität zu tun.

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          Die Pfalz ist der schönste Ort der Welt. Und die Weinstraße, wo sich auf 85 Kilometern Weinörtchen an Weinörtchen reiht, ist ihre Herzschlagader. Der Boulevard des Paradieses sozusagen. Wo Mandelbäume blühen und Feigen. Kastanien gedeihen, Pinien und Zypressen. Wo auf sonnenbeschienenen, sanft fließenden Rebhängen der beste Riesling der Welt wächst. Wo auf mehr als 200 Weinfesten im Jahr und noch viel mehr Weingutsfesten das Leben gefeiert wird. Das ist der beste Ort der Welt, sind sich die Pfälzer sicher. Und dass es darüber keinen Zweifel geben könne. Nirgendwo auf der Welt.

          Bernd Freytag
          Wirtschaftskorrespondent Rhein-Neckar-Saar mit Sitz in Mainz.

          Doch warum ausgerechnet jetzt immer mehr Menschen an die Weinstraße ziehen und dort, zwischen Bockenheim und Schweigen-Rechtenbach an der französischen Grenze, die Preise für Häuser und Grundstücke steigen – obwohl die Pfalz doch schon immer der schönste Ort der Welt war?

          Dafür gibt es ein paar nachvollziehbare Gründe: weil das Geld billig ist. Weil in den angrenzenden Metropolregionen um Karlsruhe, Mannheim und Heidelberg die Preise steigen. Weil die Enge die Menschen aufs Land treibt. Weil sie von der Weinstraße aus schnell bei BASF in Ludwigshafen sind oder im Daimler Lkw-Werk in Wörth und dennoch ruhig leben. Weil immer mehr Touristen kommen, von denen immer mehr bleiben. Weil junge Winzer mit neuen Ideen auf sich aufmerksam machen: mit Vinotheken, Weinbergsproben, und Weinseminaren. Schlicht, weil sich die Weinstraße „gemacht“ hat. Und das fällt eben immer mehr Menschen auf.

          Authentizität zahlt sich aus

          Die Anziehungskraft könnte aber auch an dem liegen, was heute Authentizität genannt wird. Oder wie Georg Wiedemann sagt: „Wenn die Pfälzer einen Schorle trinken können, auf dem Fahrrad sitzen und die Weinreben betrachten, sind sie glücklich. Das war schon immer so.“ Der Essigmacher und Winzer mit seinem Biogut „Doktorenhof“ in Venningen, ist eine Attraktion an der Weinstraße: ein Lebenskünstler, erfolgreicher Geschäftsmann, begnadeter Erzähler und inbrünstiger Pfälzer. Die Pfälzer seien eben Kelten und keine Germanen, sagt er, deshalb sei die Lebenslust hier groß und das Laissez-faire auch. Gutes Essen und gutes Trinken seien wichtig für das Lebensglück. Schnelles Wachstum nicht. „Meine Betriebsgröße hat sich seit vielen Jahren nicht verändert.“ Dass die Menschen sich zu ihrer Heimat bekannten und Pfälzisch redeten, habe „eine Wichtigkeit für die Zukunft“, wie Wiedemann formuliert. In Bayern würde der Schweinsbraten schließlich auch nicht mehr schmecken, wenn die Bayern Hochdeutsch redeten.

          Hochdeutsch wird zwar immer weniger als Makel belächelt, auch die Witze über den „Herr Dokderr“ aus der Stadt werden weniger. Hochachtung vor der Hochsprache ist dem Pfälzer aber fremd. Dialekt ist in der Pfalz Teil der Selbstgewissheit und kein sprachlicher Defekt. In der Schule, auf dem Amt, wird immer noch „pälzisch“ geredet, manche Grußanzeige in der „Rheinpfalz“ ist ebenso auf Pfälzisch wie Facebook-Seiten oder Youtube-Filmchen heimwehgeplagter Auslandspfälzer. Ein Schild in eine gar nicht provinzielle Weinstube verrät: „Wann’s Licht brennt, is uff“ – wenn das Licht an ist, ist geöffnet.

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