Bepflanzung der Hauptstadt : In Paris zieht die Landwirtschaft auf die Dächer
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Imker auf einem Einkaufszentrum in Paris Bild: AFP
Das Grün der Zukunft wächst in der französischen Hauptstadt auf bisher ungenutzten Dachflächen. Auf riesigen bepflanzten Membranwänden gedeihen Kräuter, Gemüse und Früchte. Besonders Spitzenrestaurants interessieren sich dafür.
Der Blick ist phantastisch. Von den Dächern der Galeries Lafayette oder des Kaufhauses Bazar de l'Hôtel de Ville (BHV) am Pariser Rathaus fällt er auf die schönsten Monumente der Stadt, die aus dem mineralischen Häusermeer und den rauschenden Straßenschneisen aufragen. Das Grün der Zukunft wächst hier nicht in neuen Parkanlagen, sondern auf bislang ungenutzten Dachflächen: als vertikaler und nährender Garten Eden.
Auf riesigen bepflanzten Membranwänden gedeihen Kräuter, Gemüse, Früchte und rankender Hopfen. Bienen, Käfer und schillernde Libellen tummeln sich um Taglilien oder türkische Nelken. Hier oben schmecken die Himbeeren so gut wie zu Großmutters Zeiten, Rosmarin duftet wie in der Provence, und das sanfte Glucksen des Wassers gibt in der Sommerhitze das Gefühl eines frischen Zen-Gartens.
Seit einem Jahr gedeihen die ersten Gärten auf Pariser Dächern
Oben auf dem Dach lässt sich alles anbauen, was unten gegessen wird, wobei das Gebäude in einem ganzheitlichen Zyklus jeweils mit seinem Grau- oder Regenwasser und seiner Komposterzeugung zum Wachstum der Pflanzen beiträgt. „Sous les Fraises“ (Unter den Erdbeeren) heißt das von dem Biologen Yohan Hubert gegründete Start-up, das ein Konzept des vertikalen Gemüse- und Früchteanbaus für städtische Dächer und Wände entwickelt hat. Seit einem Jahr gedeihen die ersten Gärten auf Pariser Dächern, auf dem Gebäude des Senders CNN France und des Immobilienunternehmens Nexity.
An Stahlgerüsten werden gut zwei Meter hohe Membranwände aus Schafwolle und Hanf aufgespannt und von einem integrierten Bewässerungs- und Düngesystem berieselt. An diesen filzartigen Wänden können in Taschen alle kleinen und mittelgroßen Pflanzen gedeihen. Nach dem Prinzip der Permakultur entsteht ein dauerhafter Kreislauf. Zum Beispiel nähren die Küchenabfälle des Restaurants in den Galeries Lafayette den Nutzgarten auf dem Dach.
Die Pflanzen werden durchmischt angebaut, sodass sie sich gegenseitig stärken und vor Schädlingen schützen. Der platz- und ressourcensparende Anbau zieht Insekten und Vögel an und begründet ein funktionierendes Ökosystem ohne Pestizide. So bieten die 22.000 Pflanzen auf dem Dach des BHV einen neuen Lebensraum für Bienen, die nun Honig produzieren. Die Erträge von 1000 Quadratmetern haben im vergangenen Jahr durchschnittlich 40.000 Euro eingebracht.
In Paris interessieren sich vor allem Spitzenrestaurants für die frischen Produkte mit kurzem Transportweg. Claude Colliot kauft für sein Restaurant im Marais zwei Mal wöchentlich ein. Die Taglilie verfeinert die Speisekarte von Pascal Barbots Restaurant „Astrance“. Daniel Baratier produziert Öl aus der Tagetes, der türkischen Nelke. „Sous les Fraises“ hat in Frankreich schon 10.000 Quadratmeter vertikaler Nutzgärten installiert. Jetzt wollen sie auch im Ausland wachsen.