
Hier pflanzte Hermann Hesse : In Dichters Garten
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Viele Jahre später ist der Garten heute in den Händen von Eva Eberwein. Die Biologin kennt Hesses Haus und Garten aus Kindertagen. Fast jeden Sommer verbrachte sie damals bei ihrer Tante in Gaienhofen. Als das Grundstück 2003 zum Verkauf stand und schon mit Doppelhäusern überbaut werden sollte, schlug Eberwein zu. Sie kündigte ihren Job, sanierte mit ihrem Mann das Haus und nahm sich des verwilderten Gartens an. Nach den alten Bauplänen von Hesse suchte sie die Erde in seinem Sinne zu bepflanzen und den Garten zu rekonstruieren. Darüber hat sie jetzt ein Buch geschrieben, das kommende Woche erscheint.* Eberwein schildert darin schön und anschaulich, wie sie sich dem ursprünglichen Dichter-Garten mit genauer Beobachtungsgabe, historischer Kenntnis, Studium von Hesses Texten und viel Einfühlungsvermögen angenähert und ihm so zu neuer Blüte verholfen hat - auch wenn der ein oder andere persönliche oder allgemeine Exkurs vielleicht verzichtbar gewesen wäre. Heute steht der Garten sogar im Denkmalbuch des Landes Baden-Württemberg. Eberwein ging es aber nicht darum, alles zwanghaft in den damaligen Zustand zu versetzen, sondern mit dem zu arbeiten, was sich entwickelt hatte, was vorhanden war.
Führungen durch den Dichtergarten
Von Ostern bis Mitte Oktober führt die Autorin auf Anmeldung Gäste durch den Dichtergarten, etwa ein bis zwei Führungen gibt es pro Monat. Den Besuchern bietet sich ein neues Bild: Heute steht nur noch eine alte Kastanie auf dem Kiesplatz nördlich des Hauses, umgeben von vier neu gepflanzten Kastaniensetzlingen. Wo früher Blumen und Gemüse wuchsen, hat Eberwein heute einen Schattengarten angelegt, weil hohe, in den vergangenen 100 Jahren gewachsene Eichen und Buchen den Platz dunkel und eng gemacht haben. Im Frühjahr blühen hier wilde Zwiebelblumen unter den Bäumen, im Sommer wachsen grüne Staudendecken. Um an den ursprünglichen Garten zu erinnern, ordnete Eberwein die Pflanzen wie in einem Gemüsebeet rechts und links des alten Mittelweges an, etwa Küchenschellen, Diptam, Glockenblumen, Salomonssiegel, Farne und den Seidelbast, ein Gehölz, das im Frühjahr violette, duftende Blüten trägt. Gen Süden erinnert ein Kräuterbeet an die Gärtnerin Clara Auffermann und ihre Heilpflanzen, mit Engelwurz, Eibisch, Schwalbenwurz und Fingerhut. Außerdem hat Eberwein hier ein Gemüsebeet angelegt und 2009 eine Orangerie gebaut. Von einem Freisitz aus, den es auch zu Hesses Zeit schon gab, kann der Besucher über den Kräutergarten, den Untersee bis hin zum Schweizer Ufer blicken.
Als Garten mit mehreren Hütern nach Hesse sei die Anlage, wie so viele Künstlergärten, längst nicht mehr allein Hesses Garten, sondern ein mehr oder weniger gelungenes Bild davon, schreibt Eberwein. Der Garten ist flüchtig, lebendig, so die Biologin, selbst wenn er das Andenken des Dichters bewahren soll. Hesse würde ihr da wohl nur beipflichten.
* „Der Garten von Hermann Hesse“ von Eva Eberwein, DVA, München 2016.