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Unter dem U-Bahn-Viadukt : Auf der Radbahn durch Berlin

  • -Aktualisiert am

So könnte die Radbahn eines Tages aussehen: neun Kilometer lang, quer durch Berlin. Bild: PAPER PLANES

Wie soll die Mobilität in der Stadt der Zukunft aussehen? Der Verein Paper Planes plant in Berlin eine neun Kilometer lange Radstraße von Ost nach West – um damit „eine neue Art der Urbanität“ zu etablieren.

          3 Min.

          Es war eine kalte und regnerische Berliner Nacht im Frühjahr 2015, in der eine ungewöhnliche Idee entstand. Der finnische Architekt Martti Mela musste gegen Mitternacht von einem Geburtstag mit dem Fahrrad nach Hause fahren. Er hatte einen kurzen Weg vor sich, doch es regnete in Strömen, er wurde klatschnass. Plötzlich hörte er das Rattern der U-Bahn über seinem Kopf. Als er zehn Minuten entlang des Viadukts an der Skalitzer Straße in Kreuzberg fuhr, kam ihm die Idee, die bald das Stadtbild Berlins verändern könnte.

          Er fragte sich, warum er nicht unter dem drei Kilometer langen Viadukt mit dem Rad fahren kann – damals und heute versperren Parkplätze, Straßenkreuzungen und Betonpoller den Weg. Eine Fahrradautobahn, das wäre die Lösung, um wettergeschützt durch die Stadt zu radeln. Die Idee für die Fahrradwege unter dem Viadukt ließ ihn nicht mehr los. Wenige Monate später schloss er sich mit Stadtplanern, Architekten und Grafikern im Verein Paper Planes zusammen.

          „Eine neue Art der Urbanität“

          Laut Johanna Schelle, der Projektgruppen-Sprecherin, stellen sie sich alle ähnliche Fragen: Wie kann Berlin fahrradfreundlicher und grüner werden? Wie soll die Mobilität in der Stadt der Zukunft aussehen? Im November 2015 wurde der Verein, der „eine neue Art der Urbanität“ anstrebt, eingetragen. Kurz darauf wurde das erste Projekt mit dem Namen „Radbahn Berlin“ vorgestellt, für die der U-Bahn-Viadukt der U-Bahnlinien 1 und 3 in einen überdachten Fahrradweg mit Begrünung umgestaltet werden soll. Mehr als neun Kilometer soll der Radweg lang sein und quer durch die Berliner Innenstadt führen, vom Bahnhof Zoologischer Garten in Charlottenburg bis zur Oberbaumbrücke in Friedrichshain- Kreuzberg.

          Damals und heute versperren Parkplätze, Straßenkreuzungen und Betonpoller den Weg.  Unter dem drei Kilometer langen Viadukt könnte man in Zukunft mit dem Rad fahren.
          Damals und heute versperren Parkplätze, Straßenkreuzungen und Betonpoller den Weg. Unter dem drei Kilometer langen Viadukt könnte man in Zukunft mit dem Rad fahren. : Bild: PAPER PLANES

          Die Pläne sind groß: An der Station Möckernbrücke ist ein Flussbad zum Landwehrkanal vorgesehen. Es soll Bänke, Aussichtspunkte, Cafés und Holzterrassen geben, ähnlich wie bei dem Park auf der High Line in Manhattan. Zur Zeit ist das Projekt in der „Laborphase“. Bis 2023 soll im „Reallabor Radbahn“ auf einem mehr als einen Kilometer langen Abschnitt der Viadukt zur Fahrradstraße umgestaltet werden. Dafür hat Paper Planes 3,3 Millionen Euro vom Bund und Land Berlin für die Jahre 2019 bis 2023 bekommen. Die Resonanz scheint groß zu sein. Die Bürger hätten sich bei Testabstimmungen klar für die Radbahn ausgesprochen.

          Ein kühner Plan für drei Kilometer unfertige Autobahn

          Nur wenige Kilometer weiter, für den Südosten Berlins, hat der Verein einen weiteren Entwurf entwickelt, die „Morgenfarm“. Die Visualisierungen dafür zeigen Menschen, die grüne Salatköpfe ernten, und gläserne Gewächshäuser, in denen Tomaten, Gurken und anderes Gemüse wächst. Entlang einem Erdbeerbeet werden Kinder durch die Farm geführt und zu nachhaltiger Landwirtschaft unterrichtet – dieses Zukunftskonzept stellte der Verein jetzt der Öffentlichkeit vor. Es geht um den umstrittenen 16. Bauabschnitt der Berliner Stadtautobahn A 100. Wo vorgesehen ist, dass in zwei Jahren Zehntausende Autos pro Tag über den Asphalt donnern, sollen Solarzellen über Imkereien und Gemüsebeeten ein Dach bilden. Eine vertikale Farm ist ein kühner Plan für drei Kilometer unfertige Autobahn – einen Abschnitt, der eine Rekordsumme von 700 Millionen Euro bei Fertigstellung gekostet haben wird und in der Berliner Regierungskoalition Kontroversen ausgelöst hat.

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