Zu Manfred Burgsmüllers Tod : Die Kunst des coolen Zockers
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Manfred Burgsmüller 1949-2019 Bild: dpa
Er war ein Schlitzohr, ein Angreiferoriginal, angstfrei vor Autoritäten. Und schoss auf unnachahmliche Art 213 Bundesligatore. Nun ist Manfred Burgsmüller mit 69 Jahren gestorben.
Er war ein Naturtalent, kaum zu greifen für seine Widersacher, weil er scheinbar überall unterwegs war – vor allem vor dem Tor des Gegners. Manfred Burgsmüller hielt sich nie sklavisch an feste Regieanweisungen und war auch kein positionstreuer Stürmer. Der blondgelockte Essener, der so schmächtig daherkam und mit 1,77 Metern auch nicht einer der Längsten war, spielte seine Kunst wie ein cooler Zocker aus. Burgsmüller war ein Schlitzohr, auf den schwachen Moment der gegnerischen Abwehr lauernd und allzeit auf dem Quivive, um sekundenschnell zuzuschlagen.
Das Angreiferoriginal aus dem Ruhrgebiet brachte es auf seine unnachahmliche Weise auf 213 Treffer in 447 Bundesligaspielen für Rot-Weiß Essen (1974 bis 1976), Borussia Dortmund (1976 bis 1983), den 1.FC Nürnberg (1983/84) und Werder Bremen (1985 bis 1990). Damit belegt er in der „ewigen“ Torschützenliste der obersten deutschen Spielklasse Platz vier hinter Gerd Müller (365 Tore), Klaus Fischer (268) und Jupp Heynckes (220).
Burgsmüller, den alle Welt „Manni“ nannte, war anders als diese drei klassischen Stürmer. „Bis heute weiß man nicht, ob ich eine Nummer Neun oder ein Zehner war“, hat er einmal gesagt, „ich war irgendwo dazwischen.“ So wie er seine raumfüllende Art, Fußball zu spielen verstand, wäre er heutzutage einer der begehrten Spezialisten mit dem untrüglichen Gespür für die Zonen, in denen aus dem Spiel ein Ernstfall wird. In seinen 21 Profijahren erwarb sich Burgsmüller den Ruf eines Schreckgespensts, stets zur Stelle, wenn es konkret wurde und die Fans Treffer aus dem Nichts bejubelten. Wenn sein Torappetit besonders groß war, schlug der unersättliche Burgsmüller auch gleich fünfmal zu wie beim legendären Dortmunder 11:1-Triumph über Arminia Bielefeld am 6. November 1982.
Bei seiner Klasse war es verwunderlich, dass er nur auf drei Länderspiele kam – nach der aus deutscher Sicht missratenen Weltmeisterschaft 1978 in Argentinien. Da ließ sich auch der damalige Bundestrainer Helmut Schön erweichen, diesen Profi, der auch mal vorlaut werden konnte, zu berufen. „Ich passte Herrn Schön wohl nicht ins Konzept“, hat Burgsmüller einmal gesagt. Angstfrei vor Autoritäten, wie der mit dem schlagfertigen Revier-Humor gesegnete Burgsmüller war, hat er den Bundestrainer der Weltmeister von 1974 einmal auf dessen Vorhalt „Bleiben Sie mal schön auf dem Teppich“ mit der Bemerkung gekontert: „Und ich dachte, wir spielen auf Rasen.“
Schön hielt den 1978 28 Jahre alten Burgsmüller für zu alt, um in der Nationalelf noch groß Karriere zu machen. Dessen Trainerkollege Otto Rehhagel nicht, als er den zwischenzeitlich in der Zweiten Bundesliga für Rot-Weiß Oberhausen kickenden Burgsmüller 1985 mit 35 Jahren zu Werder Bremen lotste. Kein Wunder ob dessen Motto: „Es gibt keine alten oder jungen Spieler, es gibt nur gute und schlechte“. Für Burgsmüller war Bremen die ideale Schlussetappe seiner großen Bundesliga-Laufbahn, wurde er doch mit Werder 1988 erstmals deutscher Meister. Mit 39, also im besten Pizarro-Alter, beendete er seine Karriere – und wechselte dann die Sportart: vom Fußball zum Football.
In der NFL Europe wurde er zum Kicker von Rhein Fire Düsseldorf. Dort trat er dann mit 52 Jahren von der großen Sportbühne ab und kehrte in seine Heimatstadt Essen zurück. Von schwereren Verletzungen blieb Burgsmüller in seinen vielen Jahren als Profi-Original mit Effektivitätsgarantie verschont. Was ihn zuletzt plagte, war eine Arthrose in beiden Füßen, weshalb er eine Gehhilfe brauchte. Am Samstag, als seine sportliche Heimat, die Bundesliga, am letzten Spieltag der Saison 2018/19 ihren alten und neuen Meister Bayern München kürte, starb Manfred Burgsmüller im Alter von 69 Jahren eines „natürlichen Todes“, wie es hieß.