Viererbob : Friedrich schafft den Double-Hattrick
- -Aktualisiert am
Die Siegercrew (v.l.): Thorsten Margis, Francesco Friedrich, Martin Grothkopp und Candy Bauer Bild: EPA
Gold für die Physiotherapeutin: Auch mit Muskelfaserriss schreibt Francesco Friedrich Bob-Geschichte. Wie mit dem Zweier verteidigt der Doppel-Olympiasieger auch mit dem Vierer seinen WM-Titel.
Es kommt im Bobsport eher selten vor, dass im Anschluss eines Wettkampfes eine Physiotherapeutin im medialen Mittelpunkt steht. Nachdem Francesco Friedrich in Whistler mit seinem Team den Weltmeistertitel im Viererbob verteidigt hatte – den Titel im Zweierbob hatte er schon –, drehte sich vieles um ihn. Aber auch um die zierliche Frau, die da im Zielbereich des Whistler Sliding Centre stand. Es war Brigitte Schmailzl, Physiotherapeutin des deutschen Bob- und Schlittenverbandes. Sie hat bei jedem Wettkampf mit Friedrich zu tun.
Denn im Bobsport kommt es am Start auf Schnellkraft an. Und für diese raschen Kontraktionen müssen die Muskeln geschmeidig sein. Diesmal war Schmailzl jedoch weitaus länger als gewöhnlich mit Friedrichs Faszien beschäftigt. „Die Physios haben einen wahnsinnigen Job geleistet. Brigitte mit ihrer Erfahrung, ihrer Cleverness, was man dann zu tun hat, wie schnell alles gehen muss – das ist aller Ehren wert“, lobte Friedrich. Erst nach dem Wettkampf lüftete er ein Geheimnis: Friedrich war drei Durchgänge mit einem Muskelfaserriss gefahren.
Die Verletzung hatte sich der beste Bobfahrer der Welt bereits tags zuvor im ersten Lauf beim Einspringen in sein Gefährt zugezogen. Zunächst war von Adduktoren-Problemen die Rede gewesen. Doch im Bob-Business ist es wie in vielen anderen Sportarten auch: Es wird geblufft und oft nur das preisgegeben, was ohnehin für alle sichtbar ist. Und nach Durchgang eins war offensichtlich: Friedrich hat Probleme im rechten Oberschenkel. Dass der 28-Jährige vom SC Oberbärenburg nach zwei Läufen trotzdem nur vier Hundertstelsekunden hinter dem führenden Letten Oskars Kibermanis lag, zeugt von der Qualität seines Teams, zu dem neben ihm die Anschieber Candy Bauer, Martin Grothkopp und Thorsten Margis gehören.
Zwar hatte das deutsche Quartett gegenüber den Balten am Start vier und fünf Hundertstelsekunden verloren, doch diese Rückstände waren aufgrund von Friedrichs fahrerischen Qualitäten in der Bahn akzeptabel. „Wenn es am Start auf dem Niveau weitergeht, kann er das Ding ziehen“, sagte Bundestrainer René Spies zur Halbzeit. Er hatte trotz der Verletzung seines Vorzeige-Athleten nie an eine Aufgabe gedacht – und Friedrich selbst auch nicht. Es stelle sich nicht die Frage, ob es weitergehe, so Spies, sondern wie es weitergehe.
Der zweite Wettkampftag begann für die Anschieber mit der erhofften guten Nachricht. „Macht euch keine Gedanken, ich kann mitlaufen“, hatte Friedrich dem Trio mitgeteilt. Gleich nach dem Aufstehen hatte er sich bei Schmailzl in Behandlung begeben, und mit einem „komplett abgetapten Bein“, wie er sagte, stand er dann am Start. Der dritte Lauf gilt bei Großveranstaltungen immer als der wichtigste. Und in diesem dritten Lauf drehten die Olympiasieger den Wettkampf. Am Start lagen sie diesmal nur drei Hundertstelsekunden hinter Kibermanis, und im Ziel hatten sie eine Zehntelsekunde Vorsprung.
„Einfach ein Megagefühl“
Friedrich hatte der Konkurrenz, seiner Crew und sich selbst bewiesen, dass sein rechter Oberschenkel zwar nicht ganz geheilt, aber immer noch gut genug ist, um beim Saisonhöhepunkt an die Spitze zu fahren. Als der Sachse seinen vierten und letzten Durchgang beendet hatte und auf der Anzeigetafel eine „1“ aufleuchtete, stand Candy Bauer trotz hoher Geschwindigkeit hinter ihm sofort auf und riss beide Arme in die Höhe. „Ich dachte mir: ,Total egal, auch wenn du jetzt rausfällst.‘ Es war einfach solch ein Megagefühl, die Eins zu sehen“, sagte Bauer. Margis, der zum sechsten Mal Weltmeister wurde, ordnete diesen Titel als „besonders wertvoll“ ein, Friedrich zählte ihn „auf jeden Fall zu den spannendsten und schwierigsten“. Seine Jungs hätten „einen super Job gemacht“, betonte der Pilot. „Die mussten für mich mit schieben und haben das ganz hervorragend gemacht“, sagte er weiter. Er wiederum sei froh, seinen Teil mit guten Fahrten beigetragen zu haben.
Für Friedrich war es im 18. Saisonrennen der 15. Sieg. Spies spricht von einem „unfassbaren Mannschaftsergebnis“. Eine solche Bilanz, so Spies, werde man in den „nächsten 20 Jahren nicht mehr schaffen, auch nicht mit diesem Team. Das war einzigartig.“ Friedrich hat in Whistler nicht nur beide WM-Titel vom Königssee verteidigt, sondern im Februar bereits jeweils die Weltcup-Gesamtwertungen im Zweier und Vierer gewonnen. „Das Team um mich herum hat einfach einen Wahnsinns-Job gemacht. Ich konnte mich das ganze Jahr immer auf alle verlassen“, sagte Friedrich. Gemeint ist unter anderem auch Brigitte Schmailzl. Die Physiotherapeutin war sichtlich stolz, als sie Friedrich, Margis, Bauer und Grothkopp ganz oben auf dem Siegerpodest sah. „Es ist alles in Relation gesehen gut gelaufen. Es geht immer besser und immer auch schlimmer. Aber, ich denke, so, wie es war, haben wir es gut geschafft.“