Ski alpin : Felix Neureuther - Big in Japan
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Beste Lage: Felix Neureuther fährt ganz nach vorne Bild: dpa
Auf dem Mount Naeba gelingt dem Slalom-Spezialisten sein erster Saisonsieg. Felix Neureuther feiert mit Dosenbier, Selbstironie und einem Blick in die Familiengeschichte.
Champagner für alle? Seinen größten Erfolg in dieser Saison feierte Felix Neureuther mit Dosenbier. Nach dem Sieg im Weltcup-Slalom am Mount Naeba teilte der beste deutsche Skiläufer seine Freude mit seinen Teamkollegen. Und mit der Welt, wie es heutzutage Sitte ist: mit einem Selfie. Breit grinsend, die Augen weit aufgerissen, sitzen Neureuther und Co mit Bierbüchsen im Teambus auf dem Rückweg ins Hotel: Überschrift: „Big in Japan.“ Der gleichnamige Hit von Alphaville aus dem Münsterland stammt aus dem Jahr 1984 – dem Geburtsjahr von Felix Neureuther. Doch der Titel ist natürlich nicht ganz zutreffend. Denn „Big in Japan“ bedeutet sinngemäß, dass man ein Niemand in seiner gewohnten Umgebung ist, dafür aber irgendwo auf der Welt berühmt wie ein König.

Sportredakteur.
Es spräche für die Selbstironie von Felix Neureuther, wenn er die Doppeldeutigkeit des Titels bei seinem Gag bedacht hätte, denn der 31-Jährige hat in dieser etwas schleppend verlaufenen Saison bis dahin noch keinen Sieg feiern können. Andererseits ist Neureuther auch unter erschwerten Bedingungen seinem Beruf nachgegangen. Rückenschmerzen behinderten ihn monatelang. Das Sommertraining ließ er ausfallen, auch im Winter trainierte er so wenig, wie es gerade noch vertretbar war. „Und wenn der Rücken mal nicht schmerzt, wird man eben krank“, scherzte er auf eigene Kosten, als er sich vor dem Saisonhöhepunkt in Kitzbühel eine schwere Erkältung eingefangen hatte und mehr auf dem Sofa und im Bett zubrachte als auf der Piste.
Doch die Leidensgeschichte scheint nun erst mal Schnee von gestern. Im letzten Drittel der Saison zeigt sich der Partenkirchener Patient von allen Zipperlein weitgehend genesen. Schon beim Nachtslalom in Schladming vor knapp drei Wochen bewegte er sich wie in den guten alten Tagen zwischen den Slalom-Stangen, schied nur leider nach einem Einfädler kurz vor dem Ziel aus – da half ihm auch die Zwischenbestzeit nicht mehr weiter.
In Mount Naeba katapultierte sich Neureuther nun im zweiten Durchgang noch von der fünften Position ganz nach vorne, und das, obwohl die Bedingungen nicht besser wurden: „Es hatte angefangen zu regnen, und meine Brille war beschlagen“, berichtete er im Ziel. Die Winzigkeit von fünf Hundertstelsekunden reichten ihm aber, um gegenüber dem Schweden André Myhrer den Unterschied klarzumachen. Rang drei sicherte sich der Österreicher Marco Schwarz knapp vor Fritz Dopfer, der es zum dritten Mal binnen kürzester Zeit nicht schaffte, eine Führung nach dem ersten Durchgang ins Ziel zu bringen. Beim Riesenslalom am Vortag war er sogar noch auf Rang sieben durchgereicht worden, in Kitzbühel hatte er sich immerhin auf Slalom-Rang drei gerettet.
Felix Neureuther war am Vortag in Yuzawa Naeba sogar nur 15. gewesen, doch dieses Resultat strich er umgehend aus dem Kurzzeitgedächtnis. Viel mehr freute er sich darüber, dass er im fernen Japan wieder einmal die Familientradition aufleben lassen konnte. Denn beim bislang letzten Rennen auf dieser Strecke hatte noch sein Vater auf dem Siegerpodest gestanden – vor 41 Jahren wurde Christian Neureuther Dritter.
Zwar gehören die ständigen Vergleiche mit seinen Eltern nicht zu Felix Neureuthers Lieblingsthemen, aber in diesem Fall war es mal wieder passend, weil Vater und Sohn zuvor selbst noch miteinander über die japanische Ski-Geschichte gesprochen hatte. „Da hab ich zu ihm gesagt: Hinter dem Stenmark, das ist keine Schande. Aber vom Hinterseer hättest du dich nicht schlagen lassen müssen“, scherzte Felix im ORF – und schob ein freundliches „Hansi, sei mir nicht böse“ an den einstigen Slalom-Star hinterher, der mittlerweile durch Volksmusik die Herzen berührt.
Schon vor seinem Sieg hatte sich Felix über die Rückkehr des Ski-Weltcups ins Land der aufgehenden Sonne gefreut: „Man fährt ja nicht alle Tage Skirennen in Japan, und deshalb ist es ein neuer Reiz, den ich sehr gerne annehme“, hatte er gesagt. Ein erstes Foto, das er versandte, versprühte prompt pure Lebensfreude: „Perfekter Tag im Büro“ schrieb er unter ein Bild, das ihn beim Tiefschneefahren zeigte – wobei nur noch Helm und Stock aus der weißen Masse herausleuchteten.
Dank seines zwölften Weltcupsieges hat Neureuther junior nun seine Stellung als erfolgreichster deutscher Weltcup-Fahrer vor Markus Wasmeier ausgebaut (9) und schon doppelt so viele Erfolge eingefahren wie sein Vater, der es – übrigens wie Hinterseer – auf sechs brachte. Doch selbst ein glücklicher Mensch hat manchmal noch was zu nörgeln: „Schladming hätte ich lieber gewonnen. Das wäre der letzte große Slalom gewesen, den ich noch nicht gewonnen habe.“ Dann wäre er auch Big in Austria gewesen.