Ski alpin : Der „Märchenprinz“ von Flachau
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Den Titel hat er nun weg: Manuel Feller mit Märchen-Krone und Prinzen-Umhang Bild: dpa
Waghalsiger Fahrstil, selten stromlinienförmige Meinung und Rap als Hobby: Slalomfahrer Manuel Feller sieht sich Rockstar auf Skipisten. Und kann auch über sich selbst lachen.
Wengen? Kitzbühel? Flachau! Es ist nicht ganz einfach derzeit, den Durchblick im Slalom-Weltcup zu behalten. Doch letztlich ist es wie bei der rasenden Fahrt durch den bisweilen verwirrend erscheinenden Wald aus blauen und roten Stangen: Man muss die Tore nehmen, wie sie kommen. Wegen der Corona-Krise wurden die Wettbewerbe von Ort zu Ort geschoben – und letztlich kamen am Wochenende zwei Slalomrennen in Flachau zur Aufführung. Den bestmöglichen Weg zum Ziel fand bei der ersten Auflage der Tiroler Manuel Feller, dem in seinem 124. Rennen endlich sein erster Weltcupsieg gelang – vor dem Franzosen Clement Noël und seinem Teamkollegen Marco Schwarz. Der Münchner Linus Straßer wurde Fünfter.

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Fellers Sieg kam etwas überraschend, denn er selbst hatte den Slalomhang zuvor etwas despektierlich als „Märchenwiese“ bezeichnet: zu leicht, zu flach, zu wenig Schwierigkeiten, die gute Rennfahrer von den noch Besseren trennen könnten, lautete zusammengefasst seine Pistenbeschreibung. Üblicherweise tragen dort die Damen ihre Weltcup-Rennen aus, nicht aber die Herren. „Ein Schmäh unter Skiläufern“, so der Slalomspezialist hinterher zu seiner Aussage. Doch auch vor laufenden Kameras agiert der meinungsstarke Sportler, der bisweilen als Rapper seine Sicht der Welt kundtut, wie bei seinen Taten auf den Pisten. Er wählt gerne den direkten Weg, ohne Zugeständnisse oder Rücksicht auf Verluste.
Beim Slalom mag der 28-Jährige eher die schwierigen Hänge, unrhythmisch, seitlich hängend, mit steilen Passagen. So wie auf dem berühmten Ganslerhang in Kitzbühel, wo laut Feller „keine drei Schwünge hintereinander gleich“ sind. Oder in Wengen, wo man schon froh ist, „überhaupt das Ziel zu finden“. Von den nackten Daten unterscheiden sich die fraglichen Hänge übrigens kaum: Der Höhenunterschied von Start zu Ziel beträgt auf der „Männlichenpiste“, wie der Slalomkurs in Wengen tatsächlich heißt, 194 Meter. In Kitzbühel sind es 195. Und in Flachau sogar 200.
Doch die Art, wie sie zu bewältigen sind, macht den Unterschied. An Fellers Einschätzung änderte auch nicht, dass der Flachauer Kurs mit dem respektvollen Titel „Hermann-Maier-Weltcupstrecke“ im Pistenplan notiert ist. Denn der aus Flachau stammende Maier ist zwar als Doppel-Olympiasieger und quasi unsterblicher „Herminator“ in die Ski-Geschichte eingegangen, aber höchst selten als Slalomfahrer in Erscheinung getreten.
Feller, der sich auch dank seines waghalsigen Fahrstils als eine Art Rockstar auf der Piste sieht, blieb bei seiner Haltung, selbst als die öffentliche Meinung ihm schon wie ein Schneesturm entgegenblies. So meinte Österreichs Damen-Chefcoach Christian Mitter: „Er soll schauen, dass er seine Zwetschgen beinand hat. Dann muss er dort auch gewinnen.“ Und Feller konterte, er müsse gar nicht gewinnen, und gewann dann doch – zumindest am Samstag.
Und auch bei der zweiten Aufführung am Sonntag kam er im Ersatzrennen für Kitzbühel als Dritter nach dem ersten Durchgang gut in Fahrt. Doch dann übertrieb er es im zweiten Lauf mit dem Angriffsmodus. Er rutschte in einem engen Tor aus, berappelte sich zwar, kam aber mit 2,35 Sekunden Rückstand nur auf Rang 17 ins Ziel. Es gewann der Norweger Sebastian Foss-Solevaag vor Schwarz und dem Franzosen Alexis Pinturault. Straßer schied aus.
Mann des Wochenendes blieb freilich Feller. Und im Nachhinein gab er sogar zu erkennen, dass ihm der Wirbel nicht ganz einerlei gewesen sei. Er sei am Start so nervös wie noch nie zuvor gewesen. Mit dem Spott kann er allerdings auch umgehen. Dass im Ziel ein Hit der einstigen österreichischen Kultband „Erste Allgemeine Verunsicherung“ persönlich für ihn gespielte, fand Feller herrlich: „Der Märchenprinz“.