Skispringen in Willingen : Leyhe auf dem Weg nach ganz oben
- -Aktualisiert am
Nicht aus den Alpen, sondern aus Hessen: Skispringer Stephan Leyhe beim Sprung von der Großschanze Bild: dpa
Stephan Leyhe hofft beim Heimspringen auf seinen ersten Sieg. Schon seine letzten Sprünge haben die Erwartungen übertroffen. Das Skispringer-Gen liegt bei dem Nordhessen eben in der Familie.
Es trifft sich gut, dass der derzeit beste deutsche Skispringer nicht aus den bayerischen Alpen, sondern aus dem hessischen Upland kommt. Stephan Leyhe ist der Mann der Stunde. Bei den vergangenen Weltcupspringen ist der 28 Jahre alte Nordhesse fünfmal in Folge besser als Karl Geiger und Markus Eisenbichler gewesen. Das will etwas heißen, denn Geiger war rund um den Jahreswechsel bei der Vierschanzentournee der deutsche Vorzeigespringer, der im Blickpunkt stand. Gesamtdritter ist der Oberstdorfer geworden. Eine Plazierung, die auch Leyhe, der Mann im Hintergrund, nur zu Genüge kennt.
Im Vorjahr hatte sich der auf einem technisch konstant hohen Niveau springende Leyhe gleichfalls als Dritter den Sprung auf das Tourneepodium gesichert. Es war der größte Erfolg seiner Karriere, die danach so richtig an Fahrt aufnahm, bei der Nordischen Ski-WM in Seefeld zum Weltmeistertitel mit der Mannschaft führte – und den formbeständigen Leyhe an diesem Wochenende vor der Rückkehr zu seinem Heimspringen auf der Willinger Mühlenkopfschanze erstmals zu den Favoriten zählen lässt.
Im richtigen Moment abheben
Eine erstaunliche Wandlung des einstigen Lausbuben Leyhe, der als Elfjähriger die Chuzpe besaß, im „Tigerenten Club“ der ARD seinem großen Vorbild Sven Hannawald die damals wichtigste Frage seines Lebens zu stellen. „Warum ist es ein Traum, Skispringer zu sein“, wollte der Willinger Knirps vom Grand-Slam-Sieger der Vierschanzentournee wissen. Hannawalds Antwort: „Mach es nach, dann weißt du es.“ Stephan Leyhe hat es nachgemacht. Angetrieben und unterstützt von seiner Familie, die sich ganz dem Sport verschrieben hat. Vater Volker und Bruder Christoph, selbst einst Skispringer, kennen das Gefühl, im richtigen Moment vom Bakken abzuheben und schnell an Höhe zu gewinnen. Leyhes Oma Helga Stöckel war als Turnerin bei der Weltmeisterschaft 1954 in Rom im Team der gesamtdeutschen Mannschaft dabei.
Ihr Zuhause haben die Leyhes im Willinger Ortsteil Schwalefeld, gleich um die Ecke beim ehemaligen deutschen Skilanglauf-Bundestrainer Jochen Behle. Stephan Leyhe selbst lebt und trainiert seit Jahren schon im Schwarzwald. Dort, wo auch Bundestrainer Stefan Horngacher in Titisee-Neustadt seinen Lebensmittelpunkt hat. Über Willingen sagt Horngacher fast schon überschwänglich: „Tolle Schanze, tolles Publikum, freundliche Leute, super Organisation. Dort wollen wir auch wieder Podestplätze erreichen.“
Vier Orte markieren Leyhes Karriere
Engelberg, Wisla, Sapporo, Willingen. Vier Orte markieren Leyhes Karriere, der 2014 im Schweizer Ort Engelberg sein Debüt im Weltcup erlebte, vier Jahre später in Polen erstmals als Zweiter den Sprung auf das Podium bei einem Einzelspringen schaffte – und diesen Erfolg vor einer Woche in Japan wiederholte. Ein Sieg im Weltcup, zumal noch auf der traditionell ausverkauften Mühlenkopfschanze, wo an diesem Wochenende an den beiden Wettkampftagen mehr als 50.000 Zuschauer erwartet werden? Warum eigentlich nicht?
Zumal der im Kalender seit einem Vierteljahrhundert fest verankerte Party-Weltcup im Upland mit einem Schmankerl aufwartet. Die Macher vom ausrichtenden SC Willingen, die wegen der höheren Temperaturen zuletzt noch Schnee aus der Skihalle in Neuss für die Präparation der größten Großschanze der Welt nachliefern lassen mussten, loben zum dritten Mal schon eine ganz besondere Prämie aus. Sie ist 25.000 Euro wert und wird an den Springer ausgezahlt, dem es gelingt, an allen drei Skisprungtagen Freitag (Qualifikation, aufgrund der starken Winde zunächst abgesagt), Samstag (16.00 Uhr) und Sonntag (10.15 Uhr, jeweils ein Einzelspringen) in der Gesamtaddition aller fünf Wertungsdurchgänge die meisten Punkte zu sammeln. Willingen 5 heißt dieser Jackpot – und ist besonders.
So besonders wie dieser Weltcup, der Willingen ein Wochenende lang in eine große Partymeile verwandelt. Aber das passt nicht so recht zu Leyhe, der nicht viel Aufhebens von sich macht und sich am liebsten bescheiden im Hintergrund auffällt. Dazu aber hat er überhaupt keinen Anlass. Er ist ein Könner seiner Zunft und längst in die Phalanx der Großen dieses Sports eingedrungen ist. Horngacher ist sicher: „Es wird nicht mehr lange dauern, dann wird Stephan ganz oben stehen.“