Skisprung-Weltcup : Willingen, sie kommen!
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Katharina Althaus schwebt am Samstag über der Konkurrenz und verleiht dem Skispringen in Willingen die schmerzlich vermisste Party-Atmosphäre. Bild: dpa
Die Deutschen sind nicht auf Siege angewiesen, um eine grandiose Atmosphäre beim Skispringen zu erleben. Rekorde gibt es in Willingen dennoch – dank Frauen wie Katharina Althaus.
7500 am Freitag. 23.400 am Samstag, ausverkauft, 15.000 am Sonntag: Das Skispringen hat seine Zuschauer wieder, seine Partystimmung, seine bis in die begeisterten Menschentrauben hinein spürbare Spannung. Das Wochenende im Upland hatte alles zu bieten, was den Sport da draußen interessant macht, also auch Wind und Wetter.
Am Freitag wirbelten Böen den Zeitplan durcheinander, die vom Nieselregen durchnässten Fans brauchten Durchhaltevermögen im Sauerland. Dann hilft die Bratwurst. Und der Glühwein. Nach zwei Geisterspringen war das allen Fans egal. Endlich wieder Weltcup zum Miterleben. Karl Geiger, Andreas Wellinger, Selina Freitag und Katharina Althaus sprangen im Mannschaftswettbewerb als Nationalteam auf Platz drei hinter der Auswahl Norwegens und Österreichs.
Beste Bedingungen
„Willingen, er kommt“, ruft der launig kommentierende Stadionsprecher vor jedem Springer in die Menge. Und wie er kam. Der Slowene Timi Zajc flog am Freitag von Wind und Können getragen auf die unglaubliche Weite von 161,5 Metern, blieb beim anschließenden Sturz zum Glück unverletzt und löste mit seinem gewaltigen, schier nicht enden wollenden Satz eine Planänderung aus. Die Qualifikation der Männer wurde auf Samstag verlegt. Das lohnte sich.
Bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt lachte ab und an sogar die Sonne, beste Bedingungen für Athleten und Zuschauer. Die tauchten Willingen in ein Fahnenmeer aus Schwarz-Rot-Gold und aus Weiß-Rot. „Die Polen sind außer Rand und Band, aber immer nett, selbst wenn sie besoffen sind“, sagt der Busfahrer. „Wieder Willingen. Wir sind wieder da“, tönt es aus dem Lautsprecher, mehr oder weniger musikalisch. Die Atmosphäre wirkt familiär, freundlich, mitreißend, null Aggression, keiner wird ausgepfiffen, ziemlich anders als im Fußballstadion.
Während die Frauen um die Mittagszeit springen, ist das Stadion schon gut gefüllt. Die Veranstalter vermelden einen Rekord. So viele Zuschauer habe es beim Springen der Damen noch nie gegeben. Das Publikum jubelt, wenn die deutschen Springerinnen und Springer hineinfliegen. Aber auch bei den polnischen, genauso laut. Die Hauptattraktion sind (noch) die Männer, Weltcup am Nachmittag und später unter Flutlicht, volle Hütte.
Viel Sympathie erfährt der Lokalmatador Stephan Leyhe, die kräftigste Anfeuerung fliegt dem öffentlich immer wieder seine Gefühle zeigenden Markus Eisenbichler zu. Er gewinnt unter frenetischem Jubel die Qualifikation am Samstag, kann die Leistung aber nicht in die Finalwertung retten.
Es wird ein enger Wettkampf, dem Erfinder der im Aufsprung eingespiegelten grünen Linie gehört eine Ehrennadel verliehen. Sie macht für die Zuschauer auf einen Blick erlebbar, wie knapp es zugeht, ob es für den Sieg reicht oder nicht. Für die deutsche Mannschaft reicht es nicht. Sie zeigt eine gute Teamleistung, erreicht gute Positionen. Philipp Raimund springt erstmals unter die besten zehn, womit er „mega zufrieden“ ist. Er würdigt die Atmosphäre, lobt besonders den langen Auslauf mitten in die Menge der Fans hinein.
Karl Geiger wird Fünfter, nach seiner Wettkampfpause ein soweit gutes Comeback, mit dem er „richtig zufrieden“ ist. Aber verflixt. Im Wettkampf sind immer zwei oder drei besser, vor allem einer: Auch in Willingen führt kein Weg am Norweger Halvor Egner Granerud vorbei, der in beiden Sprüngen die Konkurrenz scheinbar nach Belieben beherrscht und mit 149,5 und 138 Metern vor Anze Lanisek aus Slowenien und dem Polen Dawid Kubacki triumphiert. Am Sonntag wiederholt er seine Flugshow mit 147,5 und 142 Metern, lässt Ryoyu Kobayashi (Japan) und den Norweger Daniel-André Tande hinter sich. Bester Deutscher: Eisenbichler auf Rang neun.
„Der Granerud gewinnt das Ding“, hatte zuvor eine unter Insidern weithin verbreitete Meinung gelautet. Und sie sollte sich als treffend herausstellen, an diesem Wochenende der Entdeckungen. Die ausgelassene Stimmung, die Bierbestellungen im Dutzend, die Hüttenmusik in Endlosschleife, die perfekte Organisation, die freundliche Polizei – so weit normal im Upland, vorhersehbar. Aber nicht der Auftritt von Katharina Althaus.
Ihr Sieg im ersten von zwei Springen – am Sonntag landet sie beim Triumph der Japanerin Yuki Ito auf Rang acht direkt hinter Selina Freitag – wird sie weiter beflügeln: wie sie am Samstag abhebt und segelt und segelt. „Geiler Job“, ruft der Kollege Wellinger, „Wahnsinn“ entfährt es Eisenbichler: Touchdown bei 149,5 Metern, persönlicher Rekord, die Konkurrenz um Längen abgehängt, überragend. Deswegen künftig und mit Recht: „Willingen, sie kommt.“