Gemischte Abfahrts-Emotionen : „Über einen zweiten Platz darf man nicht meckern“
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Kira Weidle nach ihrer erfolgreichen Abfahrt in Zauchensee (Österreich). Bild: AFP
Kira Weidle fährt in Zauchensee auf den zweiten Platz, auch weil eine Favoritin stürzt. Die deutschen Männer rutschen hinterher. Sieger Kriechmayr gewinnt dank „Pizzaschnitte“.
Skirennfahrerin Kira Weidle ist beim Abfahrts-Weltcup in Zauchensee der lang ersehnte Befreiungsschlag gelungen. Die 25 Jahre alte Starnbergerin musste sich am Samstag lediglich Weltmeisterin Lara Gut-Behrami aus der Schweiz geschlagen geben. „Es hat richtig Spaß gemacht. Das ist bei mir auch der Schlüssel zum Erfolg. Endlich zurück auf dem Podest“, sagte Weidle, die erstmals in ihrer Karriere Platz zwei in einem Weltcup erreichte.
Lediglich eine Zehntelsekunde trennte die Abfahrts-Spezialistin von Gut-Behrami, die sich nach ihrer etwa vierwöchigen Corona-Pause eindrucksvoll zurückmeldete. Dritte wurde Ramona Siebenhofer aus Österreich (+0,44). „Das Zehntel ärgert mich jetzt schon ein bisschen, aber über einen zweiten Platz darf man nicht meckern. Das bedeutet mit sehr viel derzeit“, sagte Weidle mit Blick auf ihren holprigen Saisonstart. Die Plätze zehn und sieben in Lake Louise sowie Rang 39 in Val d'Isere waren „nicht die erhofften Ergebnisse“, wie sie sagte.
Goggia landet im Fangnetz
„Es ist einhundertprozentig ein Kopfthema“, erklärte Weidle zuletzt und nahm professionelle Hilfe in Anspruch. Ein Mentaltrainer sollte helfen, mit den eigenen Erwartungen sowie dem Druck von außen besser umzugehen. Der Erfolg in Zauchensee gibt ihr nun recht. „Ich glaube, dass sich das jetzt in eine gute Richtung entwickelt, obwohl man das nicht überbewerten sollte. Am Ende des Tages muss sie gut skifahren“, sagte Damen-Bundestrainer Jürgen Graller.
Am Samstag profitierte Weidle auch von dem Ausscheiden der großen Favoritin Sofia Goggia, die zwischenzeitlich rund vier Zehntel in Führung gelegen hatte. Die Italienerin und Favoritin auf den Sieg bei den olympischen Spielen in Peking, die bislang alle drei Abfahrten in dieser Saison souverän gewonnen hatte, krachte nach einem Fahrfehler ins Fangnetz. Sie schien sich zunächst nicht ernsthaft verletzt zu haben.
Für den Deutschen Skiverband (DSV) war Weidles zweiter Platz das bislang beste Ergebnis in diesem Olympia-Winter. Das Warten auf den ersten Damen-Sieg seit Viktoria Rebensburgs Triumph 2020 in Garmisch-Partenkirchen geht allerdings weiter. An diesem Sonntag steht noch ein Super-G in Zauchensee auf dem Programm. Hier zählt Weidle nicht zu den Favoritinnen.
Kriechmayr siegt dank „Pizzaschnitte“
Eine gewagte „Pizzaschnitte“ hat Skirennfahrer Vincent Kriechmayr zum ersten Weltcup-Erfolg seit März verholfen. Gemeint ist in der Ski-Szene die V-förmige Haltung der Skier wie beim Schneepflug der Ski-Anfänger – „Pizzaschnitte“ in der Szene genannt – durch die der Österreicher beim Abfahrts-Weltcup in Wengen eine Kurve perfekt erwischte und so zum Sieg raste. Der 30-Jährige gewann am Samstag mit 0,34 Sekunden Vorsprung vor dem Schweizer Beat Feuz. Dritter wurde der Italiener Dominik Paris (+0,44).
Kriechmayrs Start hatte aufgrund des ihm durch den Weltverband Fis zugesprochenen Sonderstartrechts für reichlich Wirbel gesorgt. Der Weltmeister hatte infolge eines positiven Corona-Tests die Abfahrtstrainings verpasst. Laut Reglement ist die Teilnahme an mindestens einem Training jedoch Pflicht für den Start in der Schussfahrt. Nachdem er durch eine Juryentscheidung die Genehmigung bekommen hatte, fuhr Kriechmayr deshalb am Freitagmorgen aus dem Starthaus. Nach wenigen Metern brach er die Fahrt ab.
„Es geht überhaupt nicht um den Vincent Kriechmayr, sondern um die Reglements, die da sind, damit jeder weiß, was er zu tun hat“, hatte der Alpindirektor des Schweizer Skiverbandes, Walter Reusser, dem ZDF gesagt. Der Zweitplatzierte Feuz gratulierte am Samstag mit einem Augenzwinkern: „Dafür, dass du kein Training gefahren bist, war das eine sehr gute Fahrt.“
Die deutschen Speed-Herren mussten nach ihrem Debakel am Vortag den nächsten Dämpfer hinnehmen und verpassten geschlossen die Top 15. Dominik Schwaiger fuhr als bester DSV-Athlet auf Rang 17. Zwei Positionen dahinter landete Romed Baumann. „Mir hat die hundertprozentige Überzeugung gefehlt. Umso weiter es nach unten gegangen ist, desto träger ist es geworden“, sagte Baumann über die längste Abfahrt im Weltcup-Kalender.
Simon Jocher und Josef Ferstl kamen nicht über die Plätze 24 und 30 hinaus. Der WM-Zweite Andreas Sander hatte schon vor dem Rennen auf seine Formkrise reagiert und auf einen Start verzichtet. Am Sonntag steht in der Schweiz noch ein Slalom auf dem Programm.