Mentaltrainerin im Gespräch : „Gut ist, wenn er sich fühlt wie ein Adler“
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Severin Freund bei seinem großen Sprung Bild: AP
Nach dem Sieg von Severin Freund bei der Ski-WM in Falun, wollen die deutschen Skispringer auch den Teamwettbewerb (17 Uhr) gewinnen. Im FAZ.NET-Interview spricht Mentaltrainerin Antje Heimsoeth über Erfolgsfaktoren, Konflikte und die perfekte Flugposition.
Suchen Spitzensportler Ihren Rat, wenn sie sich in einer Schwächephase befinden oder obenauf sind?
Sie kommen meist, wenn die Hütte brennt. Maria Höfl-Riesch hat es mal so ausgedrückt, als ihre Ergebnisse nicht wie geplant ausfielen: Ein Mentaltrainer könne sie nicht unterstützen, sie müsse sich selbst rausboxen. Das sagt einiges aus. Ich kenne Golfer, die kaufen lieber den hundertsten Schläger, doch auf den Turnieren kommen sie in Drucksituationen dennoch nicht wie erhofft zum Erfolg. Es ist wie in der Wirtschaft: Das Thema Gedankenhygiene und Selbstführung spielt oft erst eine Rolle, wenn die Personalabteilung mit der Leistung einer Führungskraft nicht mehr zufrieden ist und dann ein Coaching vermittelt. Im Fußball gibt es die Tendenz, dass die Zusammenarbeit mit einem Mental Coach erst gesucht wird, wenn das Team kurz vor dem Abstieg steht - und dann ist die Erwartungshaltung, dass im Mentaltraining ganz schnell etwas bewegt und verändert wird. Nur: Zaubern klappt halt nicht, auch nicht mit mentaler Stärke.
Wer braucht einen Mental-Coach?
Alle die, die ihre Leistung steigern wollen und verstanden haben, dass auf hohem Niveau der Unterschied im Kopf liegt. Wenn die Erwartungshaltung steigt, egal ob innerlich oder von außen herangetragen, können unter Druck Fehler entstehen, die einen aus dem Konzept bringen und zu Niederlagen führen. Ich vergleiche es gerne mit einem Computer, an dem der Netzstecker aus irgendeinem Grund abgeht: Wenn die Leitung immer stärker ins Wackeln gerät, fällt der Stecker irgendwann ab und die Festplatte, auf der eigentlich alles gespeichert ist, worauf es ankommt, erhält gar keinen Strom mehr. Unter Druck optimale Leistungen abrufen zu können lässt sich lernen, auch gelassen und mit Spaß an die Herausforderungen heranzugehen. Severin Freund sagte am Donnerstag im Interview nach seinem Sprung in Falun zu Gold: „Ich hatte zweimal brutal viel Spaß.“ Sportler wie er haben auch verstanden, dass man selbst mit einem großen Vorsprung im zweiten Durchgang nicht auf Sicherheit gehen darf, sondern angreifen muss.
Wie sie sich in herausfordernden Situationen wie in Wettkämpfen besser behaupten. Spitzenathleten befinden sich in einem komplizierten Geflecht, in dem sich viele unterschiedliche Interessen als Fallstricke erweisen können. Um erfolgreich zu sein, müssen viele Voraussetzungen erfüllt sein, die den Alltag neben dem originären Training zu einer Belastungsprobe werden lassen: Im Privatleben kann es Probleme geben, in der Beziehung mit dem Trainer, den Teamkollegen, den Sponsoren, oder es treten gesundheitliche Schwierigkeiten und Verletzungen auf, die einem zusetzen und die Konzentrationsfähigkeit schwächen, weil die Gedanken abdriften. Um sich dabei so zu verhalten, dass es einem trotz allem gutgeht und man in der Lage ist, sich mit ganzer Kraft dem Wettbewerb zu widmen, sind professionelle Mental Coaches gefragt.
Geht es eher darum, Stärken auszubauen oder Schwächen zu beseitigen?
Ganz klar: Stärken stärken - das ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Wer ein Haus auf eine Wiese baut und sichergehen will, dass es bei starkem Wind nicht weggeblasen wird, braucht auch ein starkes Fundament, dann kann diesem selbst der heftigste Sturm nichts anhaben. Und das ist das Wissen um die eigenen Stärken, Talente und positiven Eigenschaften.