Aufregung um Eishockey-Team : Eine große chinesische Blamage vor Olympia
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Chinas Eishockey-Nationalteam droht ein Gegentor um das andere bei Olympia. Bild: picture alliance/dpa
Als Gastgeber ist Chinas Eishockey-Auswahl automatisch für Olympia qualifiziert. Doch nun stehen Weltverband, IOC und China vor einem Dilemma. Womöglich wird das Team sogar kurzfristig ausgeschlossen.
Ein Oktoberabend vor zwei Jahren in Slany, 25 Kilometer nordwestlich von Prag. In der alten Halle in einem Gewerbegebiet wird Eishockey gespielt, tschechische dritte Liga, kein Leckerbissen. Nicht mal 50 Zuschauer sind gekommen. Ende des zweiten Drittels fliegen die Fäuste, das passiert hin und wieder beim Eishockey. Aber das hier ist anders.
Denn die Spieler von „China Golden Dragon“ hauen sich untereinander auf die Mütze. Es steht nämlich schon 1:10 aus Sicht der Chinesen, die als Gastmannschaft in der Liga mitspielen dürfen. Am Ende heißt es 1:16. Und ein paar Monate später ist das Experiment auch schon wieder vorbei. Der goldene Drache verlässt Tschechien. Seine Bilanz: 42 Spiele, 42 Niederlagen, Tordifferenz minus 330.
Die Chinesen und Eishockey – das will nicht so recht zueinanderpassen. Dabei sind sie bereits 1963 dem Weltverband IIHF beigetreten, aber laut dessen Angaben gibt es aktuell gerade mal 537 aktive Spieler bei den Männern. In Kanada sind es 76.899, und Kanada hat nicht mal drei Prozent der Einwohner Chinas. Nun ist der Vergleich zwischen dem Mutterland des Sports und einem, dessen Nationalteam zuletzt bei der D-WM 2019 gegen Amateur-Teams wie Kroatien, Australien oder Belgien nur einen Sieg holte, vielleicht nicht ganz fair.
Weltverband ist besorgt
Das Problem ist nur: Am 13. Februar 2022 spielen sie gegeneinander, bei Olympia in Peking, weil die Gastgeber automatisch qualifiziert sind. Da erwartet die Fachwelt Historisches, China ist der krasseste Außenseiter in der Geschichte des Turniers. Noch hält die Slowakei den Länderspiel-Rekord, gegen Bulgarien gab es mal ein 82:0. In Peking könnten die kanadischen NHL-Stars – wenn sie denn wollten – wohl auch 100 Tore schießen. Und selbst wenn es „nur“ 15:0 hieße, wie es IIHF-Präsident Luc Tardif kürzlich mutmaßte, wäre das „für niemanden gut, weder für China noch fürs Eishockey“.
Entsprechend besorgt sind sie bei der IIHF. Seit Sonntag und noch bis Mittwoch tagt das Council, das mächtige Führungsgremium, in Zürich. Da wird auch die Frage diskutiert, ob man die Gastgeber nicht doch besser aus dem Turnier wirft. Einerseits wäre das eine Demütigung für die stolzen Chinesen, zudem will man dort ja endlich Fuß fassen und Geld verdienen, wie es andere Sportverbände und -ligen längst tun.
Andererseits ist keinem geholfen, wenn die Topnationen die Chinesen im Februar vorführen. Auch die anderen Gruppengegner aus den Vereinigten Staaten und Deutschland könnten zweistellig gewinnen, ohne ins Schwitzen zu geraten. Und gerade gegen den großen politischen Gegenspieler aus Amerika wollen sich ja auch die Chinesen nicht blamieren.
Vor ein paar Jahren klang es noch ganz anders, wenn in der Eishockey-Welt über China gesprochen wurde. Da wollten alle hin, um einen Teil des Kuchens zu ergattern. Die NHL veranstaltete Showspiele dort, die russisch-dominierte KHL installierte ein Team, das in Peking und Schanghai spielte. Am Rande der WM 2018 in Dänemark träumte der damalige IIHF-Präsident René Fasel von einer A-WM in China.
Zwar fehle sportlich noch ein gutes Stück, aber laut dem damaligen Generalsekretär Horst Lichtner seien sie auf einem guten Weg: „Die Chinesen haben gesagt, dass sie in Zukunft 300 Millionen Wintersportler haben wollen. Wenn wir nur ein Prozent davon im Eishockey haben, sind das drei Millionen Eishockey-Kinder, das ist mehr, als Kanada hat.“
„Wir brauchen einen Plan B“
Von der Begeisterung ist nichts mehr übrig. Hinter vorgehaltener Hand wurde schon länger geklagt, die Chinesen machten ja gar keine Fortschritte. Kürzlich wagte sich IIHF-Präsident Tardif hervor, sprach von „unzureichenden sportlichen Standards“, ändere sich das nicht, „brauchen wir einen Plan B“. Norwegen könnte China ersetzen. Der Beschluss muss aber nicht zwingend diese Woche fallen. Tardif kündigte an, dass das chinesische Team noch ein paar Testspiele machen soll, „die von einem IIHF-Offiziellen überwacht werden, und danach wird eine Entscheidung getroffen“.
Was der Beobachter dann geboten bekommt? Schwierig. Vermutlich viele Spieler, die derzeit für das chinesische KHL-Team auflaufen. Aber auch das ist keine Erfolgsgeschichte. In seinen ersten Jahren lockte es in der Heimat auch mal nur wenige Hundert Zuschauer an. Nun heißt es zwar weiterhin „Kunlun Red Stars“, spielt aber längst vor den Toren Moskaus, wegen der Reisebeschränkungen während der Corona-Pandemie.
Und sportlich will auch da nichts klappen, am Samstag gab es ein 0:8 in Jekaterinburg, mit nur fünf Siegen aus 23 Spielen sind die Red Stars abgeschlagen Letzter. Der einzige halbwegs Prominente im Kader ist Brandon Yip. Der Kanadier mit chinesischen Wurzeln, früher in Mannheim und Düsseldorf aktiv, ist auch der einzige mit NHL-Erfahrung, mittlerweile aber 36 Jahre alt.
Auf Leute wie Yip hatten sie eigentlich gehofft. Spieler aus Topnationen mit chinesischen Vorfahren. Einbürgerungen sind im Eishockey Alltag, die Südkoreaner bauten sich so ihren Kader für 2018, auch für deutsche Teams laufen seit Jahrzehnten „Doppelflaggenspieler“ auf. Die Chinesen bürgern aber nicht so schnell ein.
Auch andere Ideen wie das Team in Tschechien oder ausländische Entwicklungshelfer haben keine Fortschritte gebracht. Während der Pandemie war es zudem nicht möglich, Spieler für Lehrgänge ins Ausland zu schicken. Nun ist es eh zu spät, nicht mal 100 Tage sind es noch bis zu den Spielen. IIHF, IOC und China scheinen vor einem Dilemma zu stehen: Blamage durch Ausschluss oder Blamage auf dem Eis.