Eiskunstläuferin Nicole Schott : Deutschlands bezaubernde Ästhetin
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Der einsame Star unter ein paar Sternchen: Nicole Schott Bild: dpa
Nicole Schott kann bei der von russischen Eislaufkindern angezettelten Sprungrevolution nicht mithalten – aber sie hat einen hochwertigen Gegenentwurf zu bieten.
Seit 2014 Jahren begleitet Michael Huth seine deutsche Meisterschülerin Nicole Schott. Der sächsische Trainer, der die italienische Kunstlauf-Ikone Carolina Kostner zu Welt- und Europameistertiteln geführt hat, staunt inzwischen, was aus der lange fragil und absturzgefährdet anmutenden deutschen Eiskunstlaufmeisterin geworden ist. „Ich hätte nicht gedacht, dass man sie mal zu einer solchen Athletin formen kann“, sagte er am Freitagabend in Oberstdorf nach dem fünften nationalen Championatsgewinn der in der Allgäuer Marktgemeinde lebenden und trainierenden deutschen Kufenästhetin, die sich in dieser Saison mit neuer Wucht, frischgestärktem Selbstbewusstsein und dem Vertrauen in ihren eigenen Weg der Konkurrenz stellt und sich selbst dabei treu bleibt.
Im Oberstdorfer Eiskunstlaufzentrum war Nicole Schott an den zwei Meisterschaftstagen so etwas wie der einsame Star unter ein paar Sternchen mit internationaler Perspektive wie den Paarlaufmeistern Hase/Seegert und ihren ebenso im Berliner Paarlaufzentrum Schwung aufnehmenden Herausforderern Hocke/Kunkel oder dem in Moskau von der früheren sowjetischen Weltmeisterin Anschelika Krylowa trainierten und zum ersten deutschen Eistanztitel geführten Dortmunder Paar Müller/Dieck, das unter dem heftigen Konkurrenzdruck des bayerisch-sächsischen Duos Janse van Rensburg/Steffan Programme mit Pep und Kreativität aufführte. Auch der Berliner Paul Fentz, zum dritten Mal nacheinander deutscher Meister, bewies zumindest in der Kür einen Tag nach dem missglückten Kurzprogramm, dass in ihm ein Künstler und Kämpfer steckt, der sich international nach eigener Einschätzung „im soliden Mittelfeld“ gut aufgehoben fühlt.
Glanz und einen Hauch von Glamour verbreitete in den Oberstdorfer Meisterschaftstagen gleich nach Neujahr allein Nicole Schott, die in der vorigen Saison lange unter einer Verletzung litt, die sie sich bei dem untauglichen Trainingsversuch, einen dreifachen Axel zu überstehen, zugezogen hatte. Den Form- und Fitnessrückstand, gepaart mit einem Verlust an Selbstvertrauen, konnte sie damals nicht mehr wettmachen. Jetzt aber staunt die Essenerin über ihre neue Dynamik und das höhere Tempo in ihren Küren: dem bluesigen Kurzprogramm „Caught out in the rain“ von Beth Hart und dem asiatischen Trommelwirbel, der die lange Kür unter dem Titel „Kung Fu Panda“ auf Touren hält. „Sie ist mehr in ihrem Körper angekommen“, lobt Huth, ein behutsamer Wegweiser der Eiskunst, seine beste Läuferin. Sie kommt bei der bevorstehenden Europameisterschaft in Graz (22. bis 26. Januar) für den Platz hinter den drei sieben oder acht Jahre jüngeren russischen Überfliegerinnen Anna Schtscherbakowa, Aljona Kostornaja und Alexandra Trusowa mit dem gewaltigen Sprungrepertoire an Vierfachsprüngen und Dreifachaxeln in Betracht.
Nicole Schott hat für das erste internationale Championat dieses Winters schon eine beachtliche Vorleistung abgeliefert: Nach den drei normalerweise unerreichbaren Russinnen hat sie in dieser Saison die meisten Punkte bei ihren Starts eingesammelt und sich damit einen Platz in der letzten Gruppe der besten Europäerinnen während der EM gesichert. Dazu hat ein weiterer Prestigeerfolg das Ego der deutschen Meisterin gestärkt: Ihre Kür gehört zu den von einer internationalen Jury auserwählten zwanzig Programmen, unter denen bei der Weltmeisterschaft in Montreal im März die schönste Kür mit so etwas wie dem Eis-Oscar des Jahres ausgezeichnet wird. „Es ist eine Ehre für mich, dass die Kür so gut ankommt“, sagte Nicole Schott in Oberstdorf, wo sie sich an beiden Wettkampftagen nur ein, zwei Fehlerchen leistete, die den verheißungsvollen Gesamteindruck nicht die Spur trübten.
„Ich werde erwachsener, reifer und erkenne mehr Dinge im Eiskunstlaufen, es gibt so vieles außer der Springerei, was unseren Sport so faszinierend macht“, hob sie in Oberstdorf hervor. Nicole Schott hat zumindest das Zeug dazu, all jenen, die bei der von russischen Eislaufkindern angezettelten Sprungrevolution hoch vier nicht mithalten können, einen hochwertigen Gegenentwurf vor Augen zu führen. Auch damit kann man sich einen Namen machen und viel gewinnen. Ihr Trainer Michael Huth, schon immer der Schönheit im Kunstlauf auf der Spur, lobt das „qualitative Bewusstsein“ und weist gern auf das Alleinstellungsmerkmal seiner Läuferin hin: „Sie hat immer eine eigene Note, so dass man sagen kann: ‚Oh, das ist die Schott.‘“