Krise der Krefeld Pinguine : Trainer weg, Geschäftsführer weg, Spieler weg
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Kriselnder Eishockeyverein: der tiefe Sturz der Krefeld Pinguine Bild: dpa
Ein reicher Mäzen mit nebulösen Absichten. Eine Mannschaft ohne Führung. Rebellierende Spieler: Die Krise der Krefeld Pinguine hat das Zeug zu einem Hollywood-Drama. Am Niederrhein brennt der Baum.
An diesem Donnerstag treffen sich Daniel Pietta und die Krefeld Pinguine vor dem Arbeitsgericht. Der Eishockeyklub hatte den 33-Jährigen vor einigen Monaten vor die Tür gesetzt und die Zahlungen eingestellt – trotz eines Vertrags bis 2025. So sieht es zumindest Piettas Anwalt, die Pinguine hingegen interpretieren das 2015 für zehn Jahre unterschriebene Arbeitspapier als eine Art Absichtserklärung, ein konkreter Vertrag müsse vor jeder Saison der Deutschen Eishockey Liga (DEL) neu geschlossen werden. Nun entscheidet das Gericht, ob Pietta, mittlerweile in Ingolstadt, zumindest eine Abfindung erhält. Und selbst die KEV-Fans hoffen drauf, war er als gebürtiger Krefelder doch ihr Liebling.
In normalen Zeiten gäbe es nun Aufruhr, aber in Krefeld ist das dieser Tage eine Randmeldung. Bei den Pinguinen geht es drunter und drüber. Gar mehr als in der Vorsaison, als es eine öffentliche Schlammschlacht unter den Klubbesitzern über nicht geleistete Zahlungen gab. Am Ende gingen sämtliche Streithähne, die Mehrheit im Klub übernahm der Schweizer Stefano Ansaldi. Doch das Stirnrunzeln unter den Beobachtern hörte nicht auf. Ansaldi kam weder vorbei, noch gab er Interviews. Dabei hätte man ja gern gewusst, warum ein Schweizer ohne Bezug nach Krefeld Millionen in einen Sportverein steckt, der seit Jahren nur durch seinen Mäzen überlebt.
Geschäftsführer schmeißt hin
Erst jüngst beantwortete er einige Fragen der „Westdeutschen Zeitung“. Per E-Mail. Da versichert er: Wirtschaftlich sei auch in Corona-Zeiten alles „unter Kontrolle“. Das glaubt nicht jeder, bei der DEL sind sie alarmiert, doch in die Gesellschafterstruktur einzelner Klubs darf das Ligabüro nicht eingreifen. Wer sich also umhört in der Eishockey-Branche oder in Krefeld direkt, stößt auf fragende Gesichter und besorgte Menschen, niemand weiß etwas über Ansaldi, nur so viel: Er soll es zuvor bei einem anderen DEL-Klub versucht haben, dort aber als unseriös eingestuft worden sein. Und seine Firma Save’s AG, die 120 der 150 Gesellschaftsanteile beim KEV übernommen hat, wurde erst dieses Jahr gegründet. Was er vorhat? Unklar.
Ähnlich nebulös sind seine Entscheidungen. Zu Beginn installierte er mit Roger Nicholas einen Geschäftsführer, der seit Jahrzehnten nicht im Profibereich unterwegs war, sowie den 24-jährigen Sergey Saveljev als Chefscout. Nach wenigen Monaten warf der Geschäftsführer hin, es übernahm der 24-Jährige. Ohne Erfahrung. Und anscheinend ohne Plan. Das war am Dienstagabend zu beobachten. Saveljev, der in Krefeld gern in teuren Karossen vorfährt und extravagante Hemden trägt, sollte während des Testspiels in Düsseldorf am „Magenta Sport“-Mikrofon die jüngste Eskalation erklären. Er scheiterte krachend.
Widersprüchliche Kommunikation
Los ging alles in der vergangenen Woche. Da fragte die Liga, die vor der Verkündung des Saisonstarts stand, ob die Finanzierung steht. Bei der Lizenzvergabe im Sommer hatten die Klubs ja noch mit Zuschauern kalkuliert. Nun sollten die Pinguine nachweisen, dass Gesellschafter und Sponsoren trotz der Pandemie an Bord bleiben und die Spieler – wie bei der Konkurrenz längst geklärt – abermals auf Gehalt verzichten. Also bestellte Saveljev die Spieler eilig für 21 Uhr in die Kabine. Und stieß auf Widerstand. Erstens waren die Oktobergehälter noch nicht da, zweitens wollten die Spieler wissen, warum der KEV zuletzt munter Geld ausgegeben hatte, im Kader standen zwischenzeitlich 33 Mann. Am Tag danach boykottierte das Team das Aufwärmen vor dem Test gegen Wolfsburg, kurze Zeit später trat Trainer Glen Hanlon zurück. Saveljev selbst war gerade in der Schweiz, um neues Geld zu besorgen.
Es folgten eine krude Stellungnahme und eine eilig einberufene Pressekonferenz, Saveljev nannte einige Spieler „provokant und manipulativ“, vielleicht müssten sie gehen. Am Montag dann die nächste Pressemitteilung, ein merkwürdiges Entschuldigungsschreiben. Es sei dem Klub „ein sehr wichtiges Anliegen“, dass alle „pünktlich ihr Gehalt erhalten“.
Auch in der Kommunikation wolle man besser werden, „weg vom EC Hollywood“. Und, ach ja, fünf Spieler würden den Klub verlassen. Nun brennt der Baum erst recht. Fans wenden sich ab, selbst Sponsoren äußern sich öffentlich. Gegenüber der „Westdeutschen Zeitung“ ließen die Stadtwerke Krefeld mitteilen, die „aktuelle Außendarstellung“ der Pinguine sei „nicht in unserem Sinne“. Hoffnung auf kurzfristige Besserung besteht kaum. In den nächsten Tagen dürfte es weitere Abgänge geben. Dass die Pinguine am Donnerstag mit ihrer größten Vereinsikone öffentlich um Gehalt streiten, ist da das kleinste Problem.