Biathlet Björndalen im Interview : „Ich habe immer meinen Staubsauger dabei“
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Der erfolgreichste Biathlet aller Zeiten, Ole Einar Björndalen, spricht im Interview über motivierende Hypnose, die Angst vor Krankheiten, seinen Putzfimmel und die Qualen, die er braucht, um jeden Winter aus neue Rekorde zu brechen.
Sie gelten als der freundlichste Spitzensportler aller Zeiten. Sind Sie auch mal wütend?
Ich bin wütend auf mich selbst, wenn ich nicht das leiste, was ich leisten kann.
Was machen Sie nach dem Zieleinlauf, wenn Sie nur Vierter werden?
Schnell weg! Ich will dann mit niemandem sprechen - auch nicht mit meiner Frau Natalie. Da sage ich Sachen, die niemand hören soll. Manchmal schmeiße ich auch Gläser an die Wand. Als Kind war ich oft aggressiv. Viel Energie, viel Temperament. Mit dem Sport hat sich das gebessert.
Haben Sie als Kind Ihre Mitschüler verprügelt?
Nein, nein. In der Schule war ich immer ganz brav. Aber zu Hause war ich ein Lausbub. Meine Eltern haben schon einiges abgekriegt. Und meine Geschwister auch. Durch den Sport wurde ich sehr viel ausgeglichener.
Warum Biathlon?
Eigentlich wollte ich Turner werden. Aber zur nächsten Turnhalle hätte ich 40 Minuten in die Stadt fahren müssen. Ich komme aus einer einfachen Bauernfamilie - neun Kühe, fünf Kinder. Mein Vater hatte keine Zeit und kein Geld, mich hinzufahren. Langlaufen und Schießen konnte ich vor der Haustür.
Der Ole Einar, heißt es bei Ihren Fans, hat stets alles unter Kontrolle. Um sieben Uhr sitzt er am Frühstückstisch, isst immer exakt anderthalb Brötchen . . .
Ach, das ist schon ein bisschen besser geworden. Vor dem Rennen will ich zum Beispiel überhaupt keine Ordnung haben, sonst mache ich mich verrückt. Aber pünktlich bin ich immer.
Zum Interview sind Sie zu spät gekommen.
Nur drei Minuten. Das Pünktlichsein habe ich damals im Skigymnasium gelernt. Wir hatten einen super Direktor, er war sehr streng. Wenn wir nicht pünktlich zum Training kamen, wurden wir bestraft.
Was für Strafen?
Man durfte nicht trainieren oder musste alleine trainieren.
Sie trainieren heute noch oft alleine.
Ich trainiere immer mit der Mannschaft. Aber als ich meine Schusstechnik verbessern wollte, konnte mir die Mannschaft nicht helfen. Also habe ich den besten Trainer geholt, den ich in Norwegen finden konnte. Ich habe ihn selbst bezahlt, er hat zwei Jahre bei mir gewohnt.
Sie haben im Biathlon alles gewonnen, was man nur gewinnen kann. Wie schaffen Sie es, sich weiter zu motivieren?
Die Motivation steckt immer noch ganz tief in mir drin. Wenn ich viel gewinne, kriege ich noch mehr Motivation. Biathlon ist ein junger Sport. Es macht mir Spaß, ihn weiterzuentwickeln.
Tüfteln Sie auch an den Materialien?
Ich will von den Technikern nicht wissen, wie das Material zusammengesetzt ist. Dann würde ich nur anfangen, viel zu viel zu denken. Ich nehme mir einfach die Skier, Stöcke und Schuhe und schaue, ob ich schneller bin als vorher.
Und die Waffe?
Über die Waffe muss ich hundertprozentig die Kontrolle haben. Die kenne ich auswendig, jede Schraube.
Wie bereiten Sie sich psychisch auf die Wettkämpfe vor?
Ich arbeite seit über zehn Jahren mit einem Mentalcoach. Er hat weder eine Ausbildung noch Ahnung vom Biathlon. Er verkauft Staubsauger. Aber er hat diese Gabe, mich in eine Art Hypnose zu versetzen, um die Abläufe für das Rennen in meinem Kopf zu programmieren. Ich schreibe ihm immer auf mehreren Seiten auf, was er mir sagen soll.
Wie haben Sie ihn kennengelernt? Wollte er Ihnen einen Staubsauger verkaufen?