Zweite Goldmedaille bei Ski-WM : Keine Fragen mehr an Lara Gut-Behrami
- -Aktualisiert am
Unwiderstehlich: Lara Gut-Behrami auf ihrem Weg zum zweiten Gold. Bild: AP
Nach all den Jahren, in denen Lara Gut-Behrami an den Erwartungen zu zerbrechen drohte oder zumindest genervt war, avanciert sie mit ihrem zweiten Gold völlig unerwartet zur Königin der Ski-WM.
Jahrelang nervte die halbe Schweiz ihre beste Skifahrerin, wann sie denn endlich die erste Goldmedaille bei einem „Großanlass“ gewinnen werde, wie Weltmeisterschaften und Olympische Spiele bei den Eidgenossen genannt werden. Und jahrelang fühlte sich Lara Gut-Behrami von ihren Landsleuten falsch beurteilt, unnötig unter Druck gesetzt und überhaupt ungerecht behandelt angesichts ihrer vielen Erfolge. Schließlich hatte sie 30 Weltcup-Siege, einen Gesamt-Weltcup-Erfolg und sechs Medaillen auf der Habenseite.
Dann kam die Phase, in der der sportinteressierte Teil der Schweizer Öffentlichkeit den Eindruck hatte, das ewige Wunderkind, das schon mit 16 Jahren im Weltcup auftauchte und mit 17 ihre ersten WM-Medaillen gewann, habe etwas die Lust verloren am Skifahren. Nach eher mittelmäßigen Resultaten in den vergangenen beiden Jahren wurde die Gesamt-Weltcupsiegerin von 2016 schon gefragt, ob und wann sie ihre Karriere denn nun beenden wolle? Dabei wurde außer Acht gelassen, dass sie sich einen Kreuzbandriss zugezogen hatte, der eine lange Phase der Rekonvaleszenz nach sich zog, und zwar ausgerechnet dort, wo sie eigentlich Weltmeisterin werden wollte: bei der WM 2017 in St. Moritz.
„Du fährst gut, mach es einfach!“
Und nun, wie es eben so ist, bei einem Roman, den das Leben schreibt, folgte Teil drei der Heldinnen-Trilogie. Zwar nicht gerade aus dem Nichts, aber doch einigermaßen überraschend, steht Lara Gut-Behrami im Alter von 29 Jahren plötzlich auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. Nach ihrem Sieg im Super-G und Bronze in der Abfahrt gewann sie bei den aktuellen Ski-Weltmeisterschaften in Cortina d'Ampezzo an diesem Donnerstag auch noch den Titel im Riesenslalom.
Zwei Goldmedaillen binnen zehn Tagen, worauf sie zuvor zwölf Jahre lang vergeblich warten musste: Damit hätten selbst die größten Fans der nur 1,60 Meter großen Tessinerin nicht wetten wollen. „Ich war müde, aber ich habe versucht, es zu genießen“, sagte Gut-Behrami im Rückblick auf den WM-Auftakt, als sie endlich gewonnen hatte. „Meine Coaches haben mir ständig gesagt: Du fährst gut, mach es einfach!“ Und dann machte sie es gleich zweimal.
Doch während der WM-Erfolg im Super-G noch erwartet werden konnte, da Gut-Behrami zuvor auch vier Weltcuprennen in Serie in ihrer Lieblingsdisziplin gewonnen hatte, so kam der Erfolg in Riesenslalom doch einer großen Überraschung gleich, denn ihr letzter Erfolg in der Basisdisziplin des alpinen Skirennsports datiert noch aus der Zeit weit vor dem Kreuzbandriss aus dem Oktober 2016.
„Ich freue mich wirklich für sie“, sagte nun keine Geringere als die Zweitplazierte nach dem Rennen. Mikaela Shiffrin, die dominierende Läuferin des vergangenen Jahrzehnts, hatte als Laufbeste des ersten Durchgangs auch im zweiten Lauf keinen erkennbaren Fehler in ihre Vorstellung eingebaut, doch am Ende fehlten der Amerikanerin ganze 0,02 Sekunden. „Es war so knapp, es tut mir ein bisschen leid für sie“, gab die vom Hundertstelsekundenglück beschenkte Lara Gut-Behrami mitfühlend zurück.
Da Shiffrins Landsfrau Nina O'Brien, die nach dem ersten Lauf völlig überraschend auf Rang zwei lag, kurz vor dem Ziel einen dicken Patzer einbaute und auf Platz zehn (+1,80) zurückfiel, war der Weg frei für die Schweizerin zu ihrem zweiten Gold-Coup bei diesen Weltmeisterschaften. Bronze sicherte sich Katharina Liensberger aus Österreich, die gerade mal 0,09 Sekunden Rückstand aufwies.
Weit abgeschlagen landeten sie eigentlichen Favoritinnen: die am höchsten gehandelte Schweizerin, Michelle Gisin, rutschte im zweiten Lauf aus und rutschte ab auf Platz elf (+1,81). Titelverteidigerin Petra Vlhova aus der Slowakei wurde nur Zwölfte (+1,90). Und Marta Bassino, die Führende im Riesenslalom-Weltcup, landete direkt dahinter auf dem 13. Platz (+2,28). Für die einzige Deutsche Andrea Filser reichte es einen Tag nach dem Überraschungscoup mit der Mannschaft im Teamevent diesmal nur zu Rang zwanzig (+4,43 Sekunden).
Und was sagte die Siegerin abschließend: „Ich wusste, dass ich in einer guten Form bin. Aber ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.“ Und erinnerte selbst im Sieger-Interview noch daran, dass es ja noch eine Lücke in ihrem Lebenslauf gegeben hatte: „Ich hab noch nie eine Riesenslalom-Medaille gewonnen.“